München – In den vergangenen Tagen hat der Körper noch einmal sein Recht eingefordert. Und so hat Louisa Lippmann lieber eine kleine Pause eingelegt. Man will ja nichts riskieren. Schon gar nicht jetzt, da auch für die Beachvolleyballer die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris in die entscheidende Phase geht.
Am kommenden Mittwoch darf sich Lippmann mit ihrer Partnerin Laura Ludwig gleich wieder auf höchster Bühne versuchen. In Doha wartet zum Auftakt der neuen World Tour ein Elite 16 – das Treffen der Allerbesten. „Wir sind sehr froh, dass wir eine Wildcard bekommen haben und direkt im Hauptfeld starten dürfen“, sagte Lippmann. In Katar in die K.o.-Phase vorzudringen – es könnte für das Team „LLLL“ den Eifelturm am Horizont schon sichtbar machen. Auch wenn Louisa Lippmann da noch vorsichtig ist: „Wir denken erst mal nur an Doha.“
Klar, vor gerade einmal einem Jahr hatte man es noch gar nicht absehen können, dass das sicherlich spannendste Projekt des Deutschen Volleyball Verbandes (DVV) den fünf Ringen überhaupt so nahe kommen würde. Erst im Herbst 2022 hatte man sich zusammengetan. Laura Ludwig, die Olympiasiegerin von Rio 2016 nach ihrer zweiten Mutterschaftspause. Und Lippmann, die einstige Hallen-Königin, für die der Sand weitgehend Neuland war. Andere Teams brauchen drei oder gar vier Jahre um vollends zusammenzufinden.
Doch Ludwig und Lippmann erlebten den ersten „Klickmoment“ schon nach einem guten halben Jahr. Beim Challenger-Turnier in Kanada spielten sich die beiden auf Platz fünf, wenig später schrammte man mit Bronze bei der Europameisterschaft auf der Wiener Donauinsel sogar hauchdünn an noch Höherem vorbei. Und die Szene verneigte sich vor allem vor Louisa Lippmann. Auch Kira Walkenhorst, Ludwigs Goldpartnerin von Rio, die sich kurz vor dem neuen Bündnis noch mit Lippmann bei der EM in München versuchte: „Es ist beeindruckend, wie schnell sie den Umstieg geschafft hat.“
Denn die Sandvariante bringt ein paar durchaus tückische Unterschiede für Quereinsteiger aus der Halle mit sich. Das Spiel ist variabler und vielfältiger, man ist an jedem Spielzug beteiligt. „Da stehst du natürlich anders unter Druck“, wie Lippmann sagt. Daher ist es vielleicht ganz gut, dass das Gespann Ludwig/Lippmann einen weiteren Erfolgsbaustein aus dem Goldprojekt von Rio übernommen hatte. Sportpsychologin Anett Szigeti hat auch Louisa Lippmann schon so manchen wertvollen Impuls gegeben.
Vor allem aber ist es der fünfmaligen Volleyballerin des Jahres gelungen, ihre Stärken aus der Halle mitzubringen. Allem voran ihre Athletik. Die 1,92-Meter-Frau war einst auch im Hochsprung unterwegs. Sie bewegt sich in Höhen, die im Sand ihresgleichen suchen. Nicht zuletzt im Block. Nicht wenige Szenebeobachter sehen in ihr bereits die vielleicht beste Blockerin im Geschäft.
Natürlich war es auch einkalkuliert, dass es so manchen Rückschlag geben wird. Die WM in Mexiko fiel mit Platz 17 schwächer aus. als man sich das selbst ausgerechnet hatte. Hauptsache die Basis stimmt. Ludwig/Lippmann haben sich in Position gebracht. Drei bis vier weitere gute Resultate – zwölf kommen in die Wertung – und man dürfte im Rennen gegen die nationale Konkurrenz Svenja Müller/Cinja Tillmann und Karla Borger/Sandra Ittlinger wohl eines der beiden zu vergebenden Tickets eingefahren haben. Das klingt greifbar – solange der Körper nun tatsächlich wieder mitspielt.
PATRICK REICHELT