„Basketball ist mein Leben“

von Redaktion

Bayerns Pablo Laso über den 24-Stunden-Tag als Trainer, seinen Herzinfarkt und Einkauf Ibaka

Er ist seit dieser Saison der Mann an der Seitenlinie – und darüber hinaus weit mehr: Pablo Laso (56), der Trainer der Bayern-Basketballer, ist rund um die Uhr für die Münchner im Einsatz. Wie er das schafft, erzählt er im Interview mit unserer Zeitung.

Herr Laso, bevor Sie nach dem Pokalsieg in die Pause gegangen sind, sagten Sie, Genießen sei bei Ihnen coachen. Demnach hatten Sie eine harte Woche.

(lacht) Naja, es war notwendig für uns alle. Wir haben viel für den Pokal gearbeitet. Da musst du dich mal ein bisschen lösen – drei Tage in Spanien. Dann bin ich wieder hierhergekommen Man kann die Dinge jetzt nicht abhaken und sagen: Toll, wir haben den Cup, erledigt. Wir haben noch viel vor und dafür müssen wir bereit sein.

Svetislav Pesic, einer ihrer Vorgänger beim FC Bayern, sagte einmal: Du musst 24 Stunden am Tag Trainer sein. Ist das so?

Ein bisschen schon. Ich tue mir sehr schwer, mich zu lösen. Zum Beispiel habe ich das Spiel von Deutschland in Bulgarien angeschaut. Sie fragen sich vielleicht: Warum tust du das? Ganz einfach: Weil ich Spieler dort habe. Ich will sehen, wie es ihnen geht, hoffentlich verletzt sich niemand. Genauso habe ich Montenegro angeschaut, auch Frankreich und Kroatien, die glücklicherweise gegeneinander gespielt haben. Wenn du ein Coach bist, dann hast du keinen Job, in dem du dich einfach ausklinken kannst. Wenn du ein Buch liest, dann übersetzt du das, was du liest in Basketball. Du schaust eine Serie an, und dir fällt ein, dass du noch zwei Anrufe erledigen musst. Das ist normal, Teil des Jobs. Klar: Du musst deine Zeiten finden, in denen du etwas anderes machst. Aber das ist nicht einfach und am Ende bist du der Coach, der alles in den Händen haben muss. Das ist kein Job, in dem du irgendwann das Büro zusperrst und das war es.

Ist das Professionalität oder Passion?

Sicher mehr Passion. Wenn du die nicht hast, dann ist es schwer, ein Trainer zu werden. Professionalität bedeutet, dass du immer bereit sein musst. Dass du Spiele anschaust, um etwas zu lernen. Aber wenn du keine Passion hast, kannst du kaum professionell werden.

Sie sagten, sie wollen nicht der Trainer sein, der irgendwann mal viele Titel gewonnen hat. Was, wenn nicht Erfolg, hält das Feuer am Brennen?

Ich glaube, es ist einfach mein Leben. Ich bin im Basketball seit ich ein kleines Kind war. Im Basketball begegnet dir jeden Tag etwas Neues, du hast die Chance, jeden Tag ein bisschen besser zu werden. Das musst du in dir haben. Ich komme jeden Tag wie ein kleines Kind zum Training. Überlege mir: Wie wird der Spieler reagieren? Was wird hier passieren? Es passiert nicht, dass ich mir sage: Hm, heute ist Training. Ich bin immer motiviert. Das ist mein Leben, es ist in mir. Gestern habe ich ein spanisches Lied gehört. Da heißt es: „Es un venemo que llevo dentro“ – es ist ein Gift, das ich in mir trage. So ist das irgendwie. Du musst damit leben, aber irgendwie genießt du es auch.

Das klingt tiefsinnig…

(lacht) Ja, das ist so. Meine Familie bezahlt dafür oft. Wir fahren vielleicht nach Madrid, aber ich rede mit jemandem oder schaue ein Spiel an. Letztes Jahr war ich kein Trainer. Aber ich habe mir Spiele angeschaut. Meine Familie fragte dann: „Du schaust dir das Spiel an? Das ist ein Zweitligaspiel…“ Aber ich tue es, vielleicht weil ich einen Spieler sehen will. Das Gift ist da, aber ich mag es. Basketball ist mein Leben.

War das bei Ihnen auch als Spieler so?

Ja, aber als Spieler ist es einfacher, dich auszuklinken. Da gehst du aus dem Spiel raus. Dann gehst du mit den anderen essen und redest über etwas anderes. Morgen ist Training, ja, aber das ist Sache des Trainers, darüber nachzudenken. Da musst du das Spiel schon tief in dir haben. Mir hat ein Freund aus der Nationalmannschaft damals gesagt: „Pablo, du bist krank mit Basketball. Wenn ich mal aufhöre, mach ich nichts mit Basketball!“ Heute ist er Präsident eines Clubs. Es ist schwer, etwas zu verlassen.

Ist es auch das, was Sie in Spanien zum Idol macht? Es gibt sogar einen Schriftsteller, der sich fast Ihren Namen gab – Pablo Lolaso.

Das ist eine lustige Geschichte. Er sagte, er mochte mein Spiel sehr, deswegen hat er diesen Fake-Account gemacht. Dann wurde er plötzlich auch berühmt, weil ich der Trainer von Real Madrid wurde. Aber er ist sehr lustig. Irgendwann wollte er dann die Avatare tauschen. Das ist ok für mich. Aber eines muss ich doch sagen…

Sagen Sie

Es ist nicht so, dass Erfolg für mich keine Rolle spielt. Ich liebe es, zu gewinnen. Wir scherzen unter Trainern gerne. Wenn ich etwa Svetislav Pesic treffe, dann sagt er: „Wie läuft es?“ – Antwort: „Wir gewinnen.“ „Besser“. Aber es geht halt auch um andere Fragen. Wie machst du etwas? Wie baust du eine Kultur auf? Du kannst auch verlieren und bist trotzdem auf einem guten Weg. Wenn du die richtigen Dinge machst, dann ist es auf lange Sicht einfacher zu gewinnen. Und das ist wichtig für mich. Nehmen Sie unseren Pokalsieg. Wir haben gewonnen. Aber ich finde nicht, dass wir großartig gespielt haben. Es gibt in Spanien ein Sprichwort, das sagt: „Tu pierdes o apprendes“ – du verlierst oder du lernst. Man sagt oft, dass man nur aus Niederlagen lernt. Aber du musst auch aus Siegen lernen. Und so ist das jetzt. Wir freuen uns, aber wir müssen die richtigen Dinge tun, um ein noch besseres Team zu werden.

Wo stehen sie Ihr Team auf diesem Weg?

Wir sind auf einem guten Weg. Ich messe das auch an einem anderen Punkt. Unsere Spiele waren jetzt, ich weiß nicht wie oft ausverkauft. Das sagt viel Gutes über ein Team. Und nicht nur über die Spieler, auch die Mitarbeiter dahinter. Jeder hat gut gearbeitet, die Emotionen in so einer Organisation kommen bei den Fans an, wir haben eine Verbindung hergestellt.

Wie ist es mit Emotionen bei Ihnen selbst? Man hat sie in vielen Spielen sehr wild gesehen, ihre Flüche sind vor allem in Spanien berühmt. Kurz nach dem Spiel lächeln Sie schon wieder …

Das bin einfach ich. Ich höre oft, dass ich in den Auszeiten die Spieler so anschreie. Aber wenn das Spiel vorbei ist, ist es vorbei. Ich bin keiner, der etwas mit nach Hause nimmt. Auch wenn ich in eine Pressekonferenz komme, dann verdienen die Leute, dass ich ihnen normal antworte. Es ist nicht das Spiel. Da hast du ein anderes Gefühl: Schiedsrichter, Gegner, dein Team. Da musst du dich darauf konzentrieren. Aber wenn es vorbei ist, ist es vorbei.

Was bringt sie auf 180?

Verletzungen. Weil das etwas ist, worauf ich keinen Einfluss habe. Was ich nicht kontrollieren kann. Eine Woche vor dem Pokalfinale ist Niklas Wimberg umgeknickt. Das war schrecklich. Der Junge wollte unbedingt spielen, er hat geweint: „Warum gerade jetzt?“ Das ist dann mein Job, ihm das zu erklären.

Die Sprache der Spieler. Ist das auch ein Grund, warum Sie bei Profis der Szene so hoch im Kurs sind?

Vielleicht. Aber ich will nie der sein, der sagt: Du machst das so, weil ich es sage. Ich will überzeugen. Und das tust du mit Offenheit. Ich habe noch nie einen Spieler angelogen. Ein Beispiel: Wenn ein Spieler zu mir kommt und fragt: wie viele Minuten kriege ich? Dann sage ich: ich weiß es nicht. Wenn der weltbeste Spieler, LeBron James, zu mir kommt und fragt, wie viele Minuten er bei Bayern kriegen würde: Gleiche Antwort. Alles andere wäre sehr dumm. Ich kann jedem sagen, dass er seine Chance kriegen wird, sich zu beweisen. Es wird so viel über Minuten geredet. Dabei: Es gibt Spieler, die spielen zu viele Minuten und dann sind sie nicht gut. Das ist auch ein Teil meines Jobs: Ich muss den Spielern vermitteln, dass ich nach dem Besten für das Team suche – nicht nach dem Besten für sie.

Das klingt unangenehm.

Ist es aber nicht. Ich mag das. Ich erinnere mich gerne an mein erstes Gespräch mit Serge Ibaka. Ich habe ihm erklärt, was wir bei Bayern sind und wo wir hinwollen. Danach habe ich mir gedacht: Das wird nichts. Drei Stunden später rief er mich an. Er hatte ein Testspiel gesehen. Er hat mich vieles gefragt. Nach diesem Gespräch habe ich zu meinem Assistenten Nacho gesagt: Er wird kommen.

Sie sind erstmals im Ausland tätig. Ist die Herangehensweise eine andere?

Nein, ich sehe mich als der Gleiche. Natürlich musst du dich anpassen. Ich bin in einer anderen Liga, habe andere Spieler, einen anderen Club. Ein Beispiel: Ich habe Luka Doncic gecoacht. Als er in die NBA gegangen ist, hat ein Freund von mir gemeint: Er wird nicht gut sein. Ich war mir sehr sicher: Es wird großartig. Weil es eine von Lukas herausragenden Eigenschaften ist, dass er sich anpassen kann. Für mich war das auch sehr wichtig. Ich war elf Jahre in einem Verein, dann habe ich ein Jahr nichts gemacht. Eine Zeit, in der ich versucht habe, zu lernen. Und dann kam ich hierher. Und ich bin der, der sich anpassen muss. Ich kann auch nicht sagen: Lass uns in Gelb spielen. Oder lass uns LeBron verpflichten.

Vor Ihrer Pause hatten Sie einen Herzinfarkt. Hatten Sie je das Gefühl, dass sie deshalb anders gesehen werden?

Nein, nie. Und dafür bin ich sehr dankbar. Aber es gibt auch keinen Grund. Zugegeben, ich war besorgt, als man mir am Anfang gesagt hat, es war ein Infarkt. Auch wenn der Arzt schon meinte, dass es nicht schlimm ist. Am nächsten Tag kam der Kardiologe. Ich habe ihm gesagt: Ich weiß, ich muss mein Leben ändern. Er hat mich angeschaut und gesagt: „Pablo, mach was du willst. Du hast Topwerte.“ Das Einzige, was man mir nahegelegt hat, ist: Bring ein bisschen mehr Ordnung in dein Leben. Und ganz ehrlich…

Bitte?

Ich bin glücklich. Ich bin in einem tollen Club, der sich um mich kümmert, ich lebe in einer schönen Stadt. Mit Parks, in denen du laufen kannst. Die hatte ich in Madrid nicht. Ok, das Wetter dort ist besser – den Punkt kriegt ihr nicht (lacht).

Interview: Patrick Reichelt

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