Christian Nerlinger (50) kennt Max Eberl (50) schon ewig. Im Nachwuchs des FC Bayern sorgten sie als Talente für Furore. Jahre später kreuzten sich ihre Wege als Bundesliga-Manager und anschließend saßen die beiden auch auf gegenüberliegenden Seiten am Verhandlungstisch. Im Interview erklärt der ehemalige Bayern-Sportdirektor und aktuelle Spielerberater (CN Sports) Nerlinger, wie sein Weggefährte tickt.
Herr Nerlinger, Sie und Max Eberl sind beim FC Bayern groß geworden. Welche Erinnerungen haben Sie an die Zeit?
Ich würde behaupten, dass wir zwei schon als Jugendliche sehr ehrgeizig und fokussiert waren. Ich war Sechser bzw. Achter. Und Max ist auf der rechten Seite immer marschiert. Auch Markus Babbel war in unserer Mannschaft. Wir haben 1989 das Finale der B-Junioren-Meisterschaft gegen Hertha Zehlendorf im Elfmeterschießen gewonnen. Der erste Titel im Nachwuchsbereich für den FC Bayern überhaupt. Wir hatten wirklich eine tolle Truppe. Wir alle waren Jungs aus München und Umgebung. Jetzt wird europa- und weltweit gescoutet, was ich sehr kritisch sehe im Jugendbereich.
War Ihnen damals schon klar, dass Eberl eine Manager-Karriere bevorsteht?
Nach dem gewonnenen U17-Finale hat Markus Babbel gesagt, sein Traum sei es, mal in der Bayernliga zu spielen. Daran sieht man, dass wir alle ein bisschen bescheidener und demütiger waren. Max war einer, der auch als Spieler immer an seine Grenzen gegangen ist. Er war damals schon sehr professionell und sehr reflektiert. Das ist er auch heute noch.
Am Freitag hatte Eberl offiziell seinen ersten Arbeitstag als Sportvorstand des FC Bayern. Trauen Sie ihm die neue Aufgabe zu?
Ja, ganz klar. Ich glaube, dass Max angekommen ist, wo er hingehört. Er hat einen super Weg auf Funktionärsseite gemacht. Er hat früh Erfahrungen im Jugendbereich gesammelt, dann wurde er der ganz starke Mann bei Gladbach. Er hat den Verein langfristig geprägt. Nach einer Pause kam sein kurzes Intermezzo in Leipzig, wo man schnell gemerkt hat, dass es leider nicht gepasst hat. Mit Christoph Freund als Sportdirektor und Max als Sportvorstand ist der FC Bayern absolut top besetzt. Das ist qualitativ und menschlich eine sehr starke Kombi. Ich bin mir sicher, dass dem FC Bayern mit den beiden sehr erfolgreiche Zeiten bevorstehen.
Sie waren von 2009 bis 2012 Sportdirektor beim FC Bayern. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge wollen sich seit ein paar Jahren immer mehr aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Nun sind beide im Aufsichtsrat. Wie kann Eberl seinen Platz zwischen den Alphatieren im Club finden?
Dieser Übergang hat schon zu meiner Zeit begonnen. Natürlich kann so ein Prozess dauern, bis es wieder eine langfristig stabile Lösung gibt. Ich glaube, dass der Aufsichtsrat in den vergangenen Jahren Erfahrungen gemacht hat und sehr daran interessiert ist, dass Kontinuität und Stabilität einkehren, dass die Kommunikation und das Miteinander hochgehalten werden. Max ist ein sehr erfahrener Manager. Er weiß, dass es in Deutschland keinen anderen Verein gibt, der so auf Erfolg ausgerichtet ist, wie der FC Bayern. Zudem gibt es starke Persönlichkeiten, die mitdominieren. Mit den Erfahrungswerten aus seiner langjährigen Tätigkeit plus seiner Geschichte beim FC Bayern kann er sehr gut einschätzen, wie er vorgehen muss. Ich bin zu 100 Prozent sicher, dass er einen klaren und strukturierten Plan hat. So habe ich ihn auch auf der anderen Seite kennengelernt.
Als Berater von unter anderem Florian Neuhaus kennen Sie Eberl als Gladbach-Manager. Wie ist er als Verhandler?
In der Phase, in der Flo Neuhaus Nationalspieler wurde und Gladbach in der Champions League gespielt hat, war er die dominierende Spielerpersönlichkeit des Vereins und ist es auch heute noch. Max hat diese Wertschätzung ganz klar in den damaligen Vertragsverhandlungen zum Ausdruck gebracht und gezeigt, dass er bereit ist, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um zu verlängern. Er hat gekämpft. Das ist bei mir und beim Spieler sehr gut angekommen. Max ist mit Kompetenz und Erfahrung ausgestattet. Er ist auch ein harter Verhandler, hat immer im Sinne des Vereins gehandelt. Er wusste aber schon damals, dass man auch mal mutig sein muss, um den sportlichen Erfolg des Clubs zu sichern. Max ist sehr klar, sehr strukturiert, offen und transparent. Er ist auch sehr nah dran an der Mannschaft. Das ist auch das Feedback der Spieler.
Beim FC Bayern wollen sich Eberl und Freund noch Zeit lassen mit Vertragsverlängerungen von Kimmich, Sané und Co. Können Sie diese Entspanntheit nachvollziehen?
In der Saison 2015/16 gab es eine Vertragsoffensive beim FC Bayern. Ich habe damals Jérôme Boateng betreut. Zu der Zeit wurde sehr frühzeitig mit wichtigen Stützen wie Neuer, Müller, Alaba und ihm verlängert. Da wurde sehr deutlich gemacht, dass man die Spieler langfristig halten will und das hat der Verein auch hinbekommen. Aber dafür bedarf es immer zwei Seiten. Ich bin aktuell Außenstehender. Wenn man die Aussagen zu aktuellen Vertragsverlängerungen hört, wirkt es so, als ob im Sommer schon ein größerer Umbruch, bei dem verdiente Spieler abgegeben werden, passieren kann.
Eberl muss auch noch einen Nachfolger für Trainer Thomas Tuchel finden.
Ich glaube, dass die Trainerfrage die notwendigste ist. Ein Trainer muss bei der Kaderplanung immer voll involviert sein, Max wird den neuen Coach einbinden. Ich denke auch, dass es eine neue Transferphilosophie geben wird. In den vergangenen Jahren gab es beim FC Bayern viele Themen am letzten Transfertag, die überraschend und unglaublich kostspielig gewirkt haben. Mit Max und Christoph Freund wird das besser vorbereitet und ein nachhaltiger Plan erstellt werden.
Welche Spieler muss Eberl jetzt stärken, um in diese bislang durchwachsene Saison noch zu einer erfolgreichen zu machen?
Das kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Dafür müsste man die Charaktere und das Innenleben genau kennen. Aber Max wird bestimmt Spieler stärken, er war bei seinen Manager-Stationen immer nah dran an der Mannschaft. Er wird sicher eine Hierarchie und Struktur entwickeln.
Interview: Philipp Kessler