„Ich habe nur geheult“

von Redaktion

Das Problem Karriereende – Andrea Petkovic hat ein neues Buch geschrieben

New York – Andrea Petkovic weint. Ihr Loslassen von ihrem geliebten Tennis beginnt mit Trauer. Später, Wochen nach ihrem letzten Match, fühlt sie sich orientierungslos, verloren. Ohne Kontur, schreibt sie. Eindrucksvoll lauten ihre Worte: „Wenn ich gesund esse, weiß ich nicht, wozu. Wenn ich acht Stunden schlafe, weiß ich nicht, wozu. Wenn ich einatme und ausatme, weiß ich nicht, wozu.“ So viel in ihrem Leben war auf Tennis ausgerichtet. Der geregelte Tagesablauf, die Ernährung. Alles machte sie für Tennis. Plötzlich fiel das weg. Ihr Karriereende, den Weg dorthin und Tiefs im Anschluss, die sie schnell überwand, beschreibt Petkovic in ihrem zweiten Buch: „Zeit, sich aus dem Staub zu machen.“

Das erste Kapitel fing sie an, als das Ende nahte, um ihre Gedanken zu sortieren. Die 36-Jährige war neben Angelique Kerber eine der erfolgreichsten deutschen Tennisspielerinnen der Post-Steffi-Graf-Ära. Zur Nummer neun der Welt stieg sie zwischenzeitlich auf, erreichte bei den French Open 2014 das Halbfinale, gewann fast neun Millionen Dollar Preisgeld. Doch immer wieder war sie verletzt. Sie wird älter, kann mit der Weltspitze nicht mehr mithalten.

Mit welcher Wucht sie der Bruch im Sommer 2022 traf, überraschte sie selbst. Tennis sei wie „Familie“, sagt Petkovic: „Leistungssportlerin zu sein, ist eine Identität. Ich glaube, man hat das Gefühl, man nimmt einen ganzen Teil seiner selbst und schmeißt den weg.“

Dabei fühlte sie sich vorbereitet. Petkovic gilt als vielseitig interessiert, gebildet, ehrgeizig. Sie hatte sich schon während ihrer Karriere in verschiedenen Feldern ausprobiert. Sie schrieb für verschiedene Medien, trat als Moderatorin im ZDF auf.

Petkovic durchlebte etwa auch eine Phase, in der sie Kuchen aß, bis ihr schlecht wurde. Sie sei teilweise sinnlos bis zwei Uhr morgens an ihrem Handy gewesen. „Es war wie so ein kleines Kind, das etwas Verbotenes macht“, sagt sie. Schlimmer als das eigentliche Karriereende an sich sei die Zeit zuvor gewesen, als sie sich nach Wimbledon 2022 entschieden hatte, dass es vorbeigehe: „Da habe ich nur geheult.“

Erste ernsthafte Gedanken waren 2020 nach einer Knie-OP aufgekommen. 2021 sollte ihr letztes Jahr werden. Die Pandemie schenkte ihr aber Zeit, zu regenerieren, und so hängte sie eine Saison dran. Ihr letztes Match verlor sie bei den US Open 2022 gegen die Schweizerin Belinda Bencic – und fühlte sich nicht nur traurig, sondern auch befreit.

Die 36-Jährige spielt weiterhin etwas Tennis und arbeitet als Mentorin für Talente im Deutschen Tennis Bund. Dazu kommentiert sie künftig auch für Sky – und will weiter schreiben. Ihr Karriereende sei im Rückblick der „perfekte Abschied“ gewesen.

„Diese idealen Rücktritte, die wir im Kopf haben, dieses noch mal irgendwo groß triumphieren, sind ja eher die Ausnahme.“

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