Didi Hamann (50) eckt als Sky-Experte regelmäßig an, vor allem beim FC Bayern. Doch nach dem souveränen Einzug der Münchner ins Viertelfinale der Champions League sieht selbst der Chefkritiker viel Positives.
Herr Hamann, nach dem 3:0 gegen Lazio Rom hat man das Gefühl, beim FC Bayern ist wieder alles gut. Sehen Sie das auch so?
Alles ist nicht gut. Der Sieg war aber zumindest wieder ein Ausrufezeichen. Die Bayern haben aus weniger guten Chancen Tore gemacht. Dafür müssen sie sich nicht entschuldigen. Und in der zweiten Halbzeit haben sie die Partie so souverän nach Hause gespielt, wie der FC Bayern das in guten Phasen eben macht. Zum ersten Mal seit Monaten. Das hat mir Grund zur Hoffnung gegeben.
Trainer Thomas Tuchel sprach sogar vom Ziel, den Henkelpott zu holen.
Pünktlich zur titelentscheidenden Phase herrscht im Club gerade wieder eine Aufbruchstimmung: 3:0 gegen Lazio, Max Eberl ist neuer Sportvorstand, zudem kommen die Verletzten wie Gnabry, Davies, Laimer und bald auch Coman wieder zurück. Es gibt zum ersten Mal seit fünf, sechs Monaten wieder Konkurrenzkampf. Der ist essenziell, um Bestleistung zu zeigen. Natürlich braucht man auch Glück. Aber wenn die Bayern den Schwung mitnehmen und Manchester City sowie Real Madrid aus dem Weg gehen, haben sie Riesenchancen auf die Champions League. Ich habe die Spiele der verbliebenen Mannschaften gesehen. Bis auf City müssen sie sich vor gar keinem verstecken.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der FC Bayern seit Monaten eine Wundertüte ist.
So ist es. Deswegen gibt es auch die Kritik. Wenn sie immer so spielen würden wie gegen Lazio, wäre alles gut. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die Italiener nicht im obersten Regal anzusiedeln sind. Die waren gegen Bayern in allen Belangen zweiter Sieger. Es werden auch andere Gegner kommen. Jetzt geht es darum, auch in der Bundesliga so zu spielen wie am Dienstag.
Was für ein Spiel erwarten Sie gegen Mainz?
Der Trainerwechsel hat bei Mainz schon was bewirkt. Gegen Leverkusen haben sie es beispielsweise gut gemacht, nur 1:2 verloren. Aber bei aller Liebe: Mainz hat 16 Punkte aus 24 Spielen. Da musst du als FC Bayern hergehen und das Spiel klar gewinnen. Mit derzeit zehn Punkten Rückstand auf Platz eins, schaut die Situation für die Bayern zwar relativ aussichtslos aus. Aber ich gehe davon aus, dass die Leverkusener auch mal verlieren. Es wird spannend sein, wie sie damit umgehen. Als FC Bayern musst du sie testen. Die Münchner müssen schauen, dass sie Druck erzeugen.
Bayerns Wunschkandidat auf die Tuchel-Nachfolge ab Sommer ist Xabi Alonso. Kann dies im Saisonfinale für Unruhe sorgen?
Bisher ist das nicht der Fall. Er redet nicht darüber, man lässt ihn in Ruhe. Das hat auch damit zu tun, dass das Umfeld und die Journaille großen Respekt vor ihm haben. Man muss aber auch betonen: Auf der Pressekonferenz vor ein paar Wochen hat Alonso über das Bayern-Interesse im Grunde genommen nichts anderes gesagt als Kovac damals in Frankfurt: ‚Stand jetzt bin ich hier.’ Sollte die Trainer-Thematik Dynamik bekommen, könnte sie schon eine kleine Rolle im Titelkampf spielen. Alonso muss sich irgendwann entscheiden. Die Spieler wollen wissen, mit wem sie in der kommenden Saison arbeiten.
Bayern, Liverpool oder Leverkusen: Wo wird Alonso nächstes Jahr Trainer sein?
Er hat als Spieler schon alles gesehen. Liverpool, Real Madrid, Bayern – er war schon überall. Daher muss er nicht Hals über Kopf irgendwohin. Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr glaube ich, dass er noch ein Jahr in Leverkusen bleibt. Sportchef Simon Rolfes wird alles dafür tun. Ich denke auch, dass dadurch einige Leistungsträger über den Sommer hinaus zu halten sind. Wenn die Truppe größtenteils zusammenbleibt, kann ich mir vorstellen, dass Leverkusen nächste Saison in der Champions League eine Riesenrolle spielt.
Die Trainersuche ist die wichtigste Aufgabe für Ihren ehemaligen Bayern-Kollegen Max Eberl als Sportvorstand, oder?
Normalerweise sind die Trainer immer nach München gekommen, wenn der FC Bayern gerufen hat. Die, die für den Club aktuell sehr interessant sind, würden aber viel aufgeben. Alonso ist ein gescheiter Kerl, der weiß das. Auch Sebastian Hoeneß vom VfB, der ja nun bis 2027 verlängert hat. Wenn die Stuttgarter ihre Truppe halten können, können auch sie in der Champions League für Aufsehen sorgen.
Beim FC Bayern gibt es auch noch Unklarheiten, was den Kader ab der kommenden Saison betrifft. Die Verträge von Joshua Kimmich, Leroy Sané oder auch Alphonso Davies laufen 2025 aus. Erwarten Sie einen großen Umbruch im Sommer?
Aus meiner Sicht sind ein, zwei Profis dabei, denen es guttun würde, eine neue Herausforderung anzunehmen. Kimmich vorneweg. Es wird auch spannend sein, wie der neue Trainer mit Thomas Müller und Manuel Neuer umgehen wird. Es wird also bestimmt nicht langweilig.
Interview: Philipp Kessler