Snowboard-Überfliegerin

Hofmeisters Siege unter dem Radar

von Redaktion

ULI KELLNER

Tränen der Rührung und eine überfüllte Vitrine. Im Alter von 27 Jahren hat Ramona Hofmeister schon mehr erreicht als jede deutsche Alpinsnowboarderin vor ihr. Am Samstag machte sie ihren vierten Sieg im Gesamtweltcup klar, holte zudem beide Disziplinkugeln, die für den Slalom und die für den Riesenslalom, in dem sie auch bei Olympia schon für Furore sorgte (Bronze 2018). Selbst bei den WM-Rennen in den ungeraden Jahren räumt sie zuverlässig ab: Bronze 2019 und Silber 2021. Schon jetzt ist sie für ihren kleinen Verband Gesicht, Aushängeschild und Trophäenbank in einem.

Die wilde Ramona mit dem Leopardenschal – eine Marke, die sie über zehn konstante Jahre in diesem Sport erfolgreich aufgebaut hat. Einziger Makel: Wenn Allrounderin Ester Ledecká (28, Tschechien) ausnahmsweise nicht die Skier, sondern das Board anschnallt, hat die schnelle Bundespolizistin aus Bischofswiesen bisweilen das Nachsehen – so auch am Samstag, was sich allerdings nicht mehr auf das Gesamtergebnis auswirkte.

Hofmeister also im siebten Himmel? Ganz so klang es nicht, als sie am Wochenende zu ihrer Sensationsserie befragt wurde. Ihr Problem: Kaum einer bekommt es mit, wenn die Snowboarder zwischen November und März im spannenden Parallelmodus um Stangen kurven. Mit einiger Bitterkeit in der Stimme beklagte Hofmeister die geringe TV-Präsenz ihres Sports, die sie um noch mehr Bekanntheit und Sponsoren bringt. Es ist nun mal so: Nur wer live zur besten Sendezeit über den Bildschirm flimmert, findet in der öffentlichen Wahrnehmung statt. Stellt sich die Frage, was zuerst da war: das Desinteresse der Anstalten – oder der Konsumenten? Am Kernproblem des Snowboardens hat sich auch 26 Jahre nach der olympischen Premiere in Nagano (mit zwei deutschen Medaillen) nichts geändert: Vielen Wintersportfans ist der Einbrettsport noch immer fremd. Nur bei Olympia, wenn die attraktiven Sprungcontests überdimensional aufgezogen werden, stimmt die Quote.

Einige der Tränen, die Hofmeister im Hochsauerland vergoss, können also auch Tränen der Wut gewesen sein. An ein vorzeitiges Karriereende denkt sie trotzdem nicht. Dazu fährt sie zu gern, fühlt sich noch zu jung – und sich trotz ihrer Weltcuperfolge unvollständig. 2025 in St. Moritz lockt die Aussicht, Weltmeisterin zu werden, 2026 stehen die nächsten Olympischen Spiele an. Kleiner Trost: Spätestens da wird man ihren Sport auch wieder im Fernsehen etwas intensiver wahrnehmen.

uli.kellner@ovb.net

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