Nathalie Pohl will Geschichte schreiben und als erste deutsche Frau und jüngste Schwimmerin überhaupt die Ocean´s Seven absolvieren. Sieben Meerengen auf fünf Kontinenten müssen durchschwommen werden, das ist bislang 21 Menschen gelungen. Pohl fehlt noch der Nordkanal zwischen Irland und Schottland, im September soll es so weit sein. Im Interview mit unserer Zeitung spricht die 29-Jährige über einen fatalen Fehlversuch, Gedanken auf dem offenen Meer und Delfine als Begleitung.
Nathalie Pohl, Sie haben das Buch „Im Meer bin ich zu Hause“ geschrieben. Haben Sie da noch mal realisiert, was Sie bis jetzt schon alles erlebt haben?
Das war ein Hauptgrund, warum ich das Buch geschrieben habe. Es war möglich, jedes einzelne Schwimmen noch mal zu erleben. Ich wurde damals selbst durch ein Buch inspiriert und hoffe, dass ich nun auch viele Menschen inspirieren kann.
Als siebte und finale Etappe bei den Oceans Seven steht der Nordkanal an. Stundenlang im kalten Wasser, für wohl 99 Prozent der Menschen eine Horrorvorstellung. Warum freuen Sie sich drauf?
Freuen wäre gelogen (lacht). Ich habe mir den Nordkanal ja bewusst bis zum Schluss aufgehoben. Das wird vermutlich die härteste Etappe. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr nicht viel im Hallenbad trainieren muss. Der Körper gewöhnt sich so schnell wieder an das warme Wasser. Deshalb trainieren wir gerade so viel auf Mallorca, bei 13, 14 Grad Wassertemperatur. Nur kalt duschen und Eisbäder reichen da nicht.
Sie beschreiben im Buch, wie es Ihnen beim ersten Versuch im Ärmelkanal plötzlich warm wurde. Kurze Zeit später mussten Sie aufs Boot gehievt werden. Sie waren vor dem Ertrinken und haben gesagt, dass Ihr Team Ihnen damals das Leben gerettet hat. Welche Erinnerung haben Sie daran noch?
Ans Schwimmen habe ich noch grobe Erinnerungen. Ich weiß gar nicht, wie ich auf das Boot gekommen bin. Das war eine richtige Blackout-Phase. In der Kajüte bin ich wieder zu mir gekommen, es sind aber nur so Umrisse, die mir wieder einfallen. Nur von der Krankenhausphase über Wochen weiß ich leider noch alles (lacht).
Denkt man sich in so einem Moment nicht: Warum habe ich mir ausgerechnet diesen Sport ausgesucht?
Als ich auf der Intensivstation lag, kam mir schon der Gedanke: Kann ich das überhaupt jemals schaffen? Ich habe lange darüber nachgedacht, ob es das ist, was ich jetzt wirklich die nächsten Jahre machen will. Nach zwei, drei Tagen kam aber schnell der Glaube wieder zurück, dass ich es schaffen kann.
Wie wichtig ist das Team auf dem Begleitboot um Ihren Vater?
Es ist ein Extremsport und wird es auch immer bleiben. Von meiner Seite aus habe ich noch nie gesagt, dass ich nicht mehr kann oder aufhören will. Das war immer mein Team, das mir die Entscheidung abgenommen hat. Ich habe nur Leute auf dem Boot, denen ich zu 100 Prozent vertraue. Wir haben kaum Ärzte mit am Bord, die würden den Versuch vermutlich noch viel früher abbrechen.
Die Durchquerung der Cookstraße mussten Sie zweimal aufgrund der Wetterbedingungen abbrechen. Wie fühlt man sich an, wenn man auf offenem Meer nur ein Spielball der Natur ist?
Das war ein Lernprozess. Ich musste akzeptieren, dass die Natur immer stärker ist als man selbst. Wenn man drei Stunden an einer Stelle gegen die Strömung anschwimmt, muss man halt irgendwann aufhören. Das hat mir aber auch geholfen, damit abzuschließen. Es lag nie daran, dass ich zu wenig trainiert habe. Sondern an Umständen, die man selbst nicht beeinflussen kann.
Kann man sich mental darauf einstellen, stundenlang alleine im Wasser zu sein?
Ich weiß nie, was mich erwartet. Der Mensch plant viel, aber auf dem Meer musst du spontan sein. Ich kann nicht planen, wie schlimm der Quallenkontakt sein wird. Oder ob vielleicht doch ein Hai kommt, der ums Boot kreist. Man denkt an viele Szenarien, man träumt sogar nachts davon. Aber in der Realität kommt es immer anders. Ich versuche, immer im Moment zu bleiben. Ich bin mit dem Gedanken nicht im Urlaub oder sonst wo.
„Als schwämme ich im Weltall“ haben Sie das Gefühl beschrieben, nachts auf dem offenen Meer zu schwimmen.
Es ist definitiv wie eine andere Welt. Im Pazifik hatte ich nicht mal Kontakt zum großen Begleitboot. Der Sonnenuntergang war noch mal magisch und dann gab es nur noch die Dunkelheit und mich. Ich habe zwölf Stunden mit mir selbst verbracht. Zum Glück bin ich gerne allein (lacht). Ich habe die Zeit wirklich genossen. Irgendwann fällt man eh in eine Trance. Irgendwann denkt man an nichts mehr. Ich zähle dann meine Armzüge über mehrere Stunden. Es setzt der Autopilot ein und man schwimmt nur noch von Getränk zu Getränk.
Kontakt hatten Sie im Wasser schon mit Delfinen, die Sie begleitet haben.
Im Wasser nimmt man die Delfine ja noch mal ganz anders wahr als vom Boot aus. Wenn die über Stunden neben oder unter dir schwimmen, ist das ein besonderes Gefühl. In dem Moment fühlt man sich wie ein Teil des Meeres. Man darf aber natürlich nicht vergessen, dass man da eigentlich nicht hingehört und nur mal eben zu Gast ist.
Interview: Nico-Marius Schmitz