München – Am ersten Tag, es war im Juli 1983, wurde Markus Hörwick gleich eine entscheidende Frage gestellt. Sie kam vom damaligen Geschäftsführer Walter Fembeck und lautete: „Was machst Du hier?“ Die Antwort kam dem 26 Jahre alten Neuling beim FC Bayern, extra um 8.15 statt 8.30 Uhr angetanzt, aus dem Mund geschossen: „Ja, ich fange heute hier an.“ Ach ja, dachte Fembeck, da war ja was: „Da müssen wir noch Platz schaffen.“ Es sollte sich lohnen.
Markus Hörwick erzählt die Geschichte heute, mehr als 40 Jahre später, mit einem breiten Grinsen im Gesicht – denn er weiß ja, was in den mehr als drei Jahrzehnten passiert ist, die er an jenem Schreibtisch saß, den Fembeck ihm damals zugeteilt hat. Wenn er über seine Anfangszeit sagt: „Wir waren die Ersten!“, dann meint er vor allem sich selbst, denn Hörwick, heute 67, war im deutschen und im internationalen Fußball ein Pionier. Er kannte die andere Seite aus fünf Jahren bei der Bild-Zeitung sowie zwei weiteren im PR-Bereich bei adidas – und er hatte von Beginn an ein Ziel: „Pushen, pushen.“ Denn er hatte bereits erkannt, wovon er andere im Verein noch überzeugen musste: „Um das Bild des FC Bayern in der Öffentlichkeit zu prägen, müssen wir die Journalisten füttern.“ Heute ist der Plan von damals – Vereinsgelände öffnen, Termine anbieten, Gespräche vermitteln – längst nicht mehr umzusetzen.
Hörwick erinnert sich noch gut an einen Tag, an dem er – zunächst verantwortlich für die Mitgliederzeitung „Bayern Magazin“ – mit Uli Hoeneß aus dem Bürofenster auf den Trainingsplatz blickte. Der damalige Manager traute seinen Augen nicht, als er den Zaungast der Bild-Zeitung schon wieder sah. Er sagte: „Markus, der ist jetzt schon den dritten Tag in Folge da!“ Statt Ärger gab es Erstaunen, als Hörwick antwortete: „Uli, das muss unser Ziel sein!“ Mit einem ungläubigen „Viel Vergnügen!“ schloss Hoeneß die Konversation. Das sollte Hörwick haben.
„Gezielte Medienarbeit“ ist das, was Hörwick über seine Anfangsjahre sagt: „Ich habe mich als Dienstleister gesehen.“ Immer mehr Fans strömten ins Stadion, und was Bayern machte, beeindruckte: Von 18 Bundesligisten kamen „mindestens 14“, um Hörwick über die Schulter zu sehen, die UEFA drehte sogar eine Doku, die sie den Teilnehmern der Champions League zur Verfügung stellte, um zu zeigen, wie gute Medien- und Öffentlichkeitsarbeit funktioniert. Auch Hörwick selbst allerdings stellte sich immer breiter auf. Die Programmhefte aus England inspirierten ihn, Vorberichte, Interviews und Seitenanzahl vergrößerten sich. Wenn er heute das Magazin „51“ aufschlägt, das von Max Breitner geleitet wird, sagt er anerkennend: „Das war das Ziel. Ich lese eine Seite – und komme nicht mehr los davon. Klasse gemacht.“
Nicht ganz so wohlwollend sieht der gebürtige Münchner die heutige Medienlandschaft im Fußball. Zwar weiß er: „Das aus meiner Zeit und das von heute hat nichts mehr miteinander zu tun.“ Trotzdem wünscht er sich mehr Zugang, mehr Nahbarkeit, mehr Mit- statt Gegeneinander. So argumentierte er auch während der rasanten Entwicklung seiner Amtszeit bis 2016, geprägt vom Aufkommen des Privatfernsehens und natürlich der Anonymität des Internets. Als Karl-Heinz Rummenigge einst zu ihm sagte: „Markus, wir können doch alles über unsere Kanäle selber machen“, entgegnete Hörwick: „Kalle, vergiss nicht: diese Medien haben unseren Verein groß gemacht.“
33 Jahre lang hat Hörwick den Job gemacht, nach dem Hausbrand von Breno im Jahr 2011 ließ er sein Handy auch nachts eingeschaltet. Für ihn war das Ereignis ein echtes Aha-Erlebnis, das „Ende der Vernunft“. Denn in jener Nacht, in der er für sechseinhalb Stunden ohne Mobiltelefon war, erschienen im Internet druckfertige Interviews „mit dem Feuerwehrhauptmann, dem Berater und dem Nachbarn“. Die Frage „Was machst Du hier?“ erübrigte sich am Tag danach…
HANNA RAIF
Der Fall Breno als Wendepunkt