Freiburg – Christian Streich lächelte etwas gequält in die Kamera. Es fiel ihm alles andere als leicht, diese Botschaft zu überbringen. „Sehr schweren Herzens“ teilte er mit, dass er seinen Vertrag als Cheftrainer des SC Freiburg nicht mehr verlängern und den Fußball-Bundesligisten im Sommer verlassen werde. Es hatte sich angedeutet: In Freiburg endet eine Ära. Der Club verliert seine größte Identifikationsfigur, die Liga eine ihrer prägenden Figuren.
Ein Nachfolger solle „zeitnah“ bekannt gegeben werden, teilte der Sport-Club mit. Dem Sender Sky zufolge könnte es Freiburgs Ex-Kapitän Julian Schuster werden. Er würde in gewaltige Fußstapfen treten.
„Dieser Verein ist mein Leben“, sagte Streich und sprach damit aus, was er in mittlerweile fast 29 Jahren beim Sport-Club stets mit jeder Faser verkörpert hat. Der Sohn eines Metzgers, der eine Lehre als Industriekaufmann abgeschlossen und später noch Germanistik, Sport und Geschichte auf Lehramt studiert hat, ist bodenständig, emotional und authentisch. Nicht nur so mancher Südbadener würde vermutlich sagen: einer von uns.
Streichs Interviews und Pressekonferenzen sind mitunter so legendär wie seine emotionalen Ausbrüche an der Seitenlinie. Für viele Fans ist er aber auch eine Art gutes Gewissen der zunehmend kommerzialisierten Fußball-Branche. Da er zu politischen und gesellschaftlichen Themen häufig klar Stellung bezieht, genießt Streich auch über den Sport hinaus große Popularität. Er wurde mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet und dem Julius-Hirsch-Ehrenpreis des Deutschen Fußball-Bunds (DFB), der Menschen würdigt, die sich aktiv gegen Diskriminierung und für Verständigung einsetzen. „Ich habe lange überlegt. Wir haben lange gesprochen“, kommentierte der 58-Jährige den nahenden Abschied. Dass er ihn über ein vom Verein verbreitetes Video verkündete, diente womöglich auch dem Selbstschutz. In einem anderen Rahmen hätte er vielleicht eine Träne verdrückt. Er sei dankbar für die vielen Erlebnisse, die er mit dem SC hatte. Nicht nur in den mehr als zwölf Jahren, die er inzwischen Chefcoach der Profis ist. Zuvor war er viele Jahre Jugendtrainer der Badener – und eine der zentralen Figuren ihrer starken Nachwuchsarbeit.
„Es war mir immer sehr, sehr wichtig, dass ich den Zeitpunkt nicht verpassen wollte, in dem ich glaube, dass es Zeit ist zu gehen“, sagte Streich. Er sei „außergewöhnlich dankbar für die große Unterstützung und Zuneigung, die ich immer erfahren habe.“ Es brauche nun aber „neue Energie“ im Verein und in der Profimannschaft. „Wir waren in den vergangenen Wochen in einem intensiven, sehr vertrauensvollen und emotionalen Gedankenaustausch mit Christian – an dessen Ende eine Entscheidung steht, die wir bedauern, aber in vollem Maße respektieren und nachvollziehen können“, sagte SC-Sportvorstand Jochen Saier. Der Zeitpunkt, Streich final zu würdigen, sei aber noch nicht gekommen. Die „gemeinsame Reise“ sei ja noch nicht ganz zu Ende
Rund um das Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (2:3) am Sonntag hatte Streich noch alle Fragen zu seiner Zukunft abgeblockt. Auch die Spieler hatten sich zurückhaltend geäußert. Kapitän Christian Günter, genau wie Mittelfeldmann Nicolas Höfler einer von Streichs langjährigen Weggefährten beim SC, hatte zumindest leise „Hoffnung, dass er weitermacht“.
Doch letztlich war es keine große Überraschung mehr, dass Streich nun den Schlussstrich zieht. Die Arbeit als Cheftrainer und in der Öffentlichkeit kostete ihn viel Kraft – ab Sommer wird alles etwas ruhiger. dpa