Streich-Abschied

Es bleiben die größten Fußstapfen

von Redaktion

VINZENT TSCHIRPKE

Klar, man kann Christian Streich nervig finden. Dass er sich auf Pressekonferenzen stets als moralische Instanz inszeniert, nachdem er in den 90 Minuten zuvor pausenlos den Schiri und die gegnerische Trainerbank zusammengebrüllt hat, erscheint recht paradox. Die zwar richtigen, aber völlig kontextlos eingebauten Aussagen zur Verrohung der Gesellschaft (gerne in Kombination mit Bibelreferenzen) wirken oft etwas selbstgerecht. Und indem er regelmäßig Journalisten auflaufen lässt, geht die Außendarstellung des Christian Streich nicht selten auf Kosten seines direkten Umfelds. Dass er nun sein Aus beim SC Freiburg verkündet, ist trotzdem extrem schade.

Denn mit Streich verliert der Sportclub nicht nur seinen langjährigen Trainer, sondern auch die Bundesliga ihre Antithese zum modernen Fußball. Mit all seinen Marotten hat Streich die deutsche Fußballlandschaft in den letzten zwölf Jahren entscheidend geprägt. In einer Zeit, in der der HSV und Schalke 04 zusammengerechnet auf 35 Trainer kommen, lebten er und der SC Kontinuität vor. 29 Jahre arbeitete Streich im Verein, entwickelte dessen Jugendarbeit zur besten des Landes und formte die Profis von einem Abstiegs- zum Europa-League-Kandidaten. Er übernahm die Mannschaft als abgeschlagener Tabellenletzter, führte sie zum Klassenerhalt und ging auch dann nicht, als er drei Jahre später doch in die Zweite Liga musste.

Im Wesentlichen zeigte er aber, wie wichtig die Identifikation mit einem Club sein kann. Streich bildete nicht nur unzählige Jugendspieler aus, er baute sie auch in die erste Mannschaft ein. Bei Patzern der Talente suchte er den Fehler bei sich und nicht bei ihnen. Durch diese Auffassung eines Ausbildungsvereins erzielte er nicht nur hohe Ablösesummen, er schaffte auch eine Nähe zwischen Fans und Mannschaft: Inzwischen gehen die Anhänger sogar gern ins zunächst verhasste Europa-Park-Stadion. Wenn Streich im Sommer geht, wird sein Nachfolger allein in der Defensive mit Atubolu, Schmidt und Ginter auf drei Spieler setzen können, die allesamt in Freiburg geboren und ausgebildet wurden. Er wird einen Verein übernehmen, der trotz begrenzter finanzieller Mittel zur oberen Tabellenhälfte gehört. Und er wird vor allem eines: in die größten Fußstapfen treten, die es für einen Trainer in der Bundesliga gibt.

redaktion@ovb.net

Artikel 1 von 11