Ihr neues Auswärtstrikot wird die deutsche Fußball-Nationalmannschaft erstmals in einem Heimspiel tragen, kommende Woche gegen die Niederlande. Ha, werden die Gegner der Farbkonstellation – Pink, übergehend in Lila – triumphieren: Da hat jemand aber Angst, dass ihm am Samstag in Lyon bei den Franzosen gleich aufgezeigt wird, dass es ein Verlierergewand ist. Dabei ist der Grund ein anderer: Zu Les Bleus, den Tiefblauen, böten Les Roses nicht den Kontrast, den die Regeln vorsehen. Somit sehen wir in Frankreich beim Länderspiel die klassisch weißen Deutschen.
Es war amüsant, wie seit der Vorstellung des neuen Ausweichoutfits debattiert wurde. Bild-Hauspoet Franz-Josef Wagner schrieb, dass Franz Beckenbauer niemals Rosa getragen hätte – und prompt wurden ihm Fotos vorgehalten, die den Kaiser, der sich gegen kulturelle Vereinnahmung nicht mehr wehren kann, als glücklichen Menschen in pinken Polohemden zeigten. In seiner 1990er-Weltmeister-Elf hatte Torhüter Bodo Illgner rosa Elemente im Trikot eingearbeitet. „Absolut unmännlich“ lautet gleichwohl ein Vorwurf in Richtung des „woken“ DFB. Aber der kann auf Lionel Messi verweisen, der gut damit klarkommt, bei Inter Miami Rosa zu tragen. Es gibt zudem ein historisches Bilddokument von Tim Wiese in Rosa – und niemand versprühte in Strafräumen jemals mehr Testosteron als der spätere Wrestler.
Trikotverkauf ist halt ein Geschäft, das allerdings den Gesetzen der Mode folgen muss. Ab und zu braucht es etwas Neues, die Masche der Ausstatter ist, dass sie ihre Innovationen im Vorfeld der großen Turniere platzieren. Mit dem Auswärtstrikot hat sich immer schon etwas wagen lassen. In den 70er-Jahren war Grün die Alternativfarbe beim DFB (auch das würde heute die Intoleranten triggern), vor der WM 2006 probierte man Rot aus, und zur WM 2014 kamen die Deutschen in schwarz-rot-quergestreiften Jerseys daher – und wurden heiß geliebt. Tja.
Natürlich hat Adidas das Potenzial der Provokation gut erkannt. Seit einer Woche wird über das Trikot und die flankierenden Werbespots diskutiert, und wenn Toni Kroos in Frankfurt den Fans die neuen rosa Trikots zuwirft, ist das eine wohlgesteuerte Werbeaktion.
Neben dem „Barbie“-Trikot gibt es ja auch das traditionelle weiße, sozusagen das Oppenheimer-Trikot. Man kann beides gut finden, es schließt sich nichts aus.
Guenter.Klein@ovb.net