München – Michael Teuber klingt nicht so, wie Patienten klingen, die in den vergangenen Tagen Folgendes durchgemacht haben: schwerer Unfall, Intensivstation, Verlegung per Flug, Operation. Die Stimme ist fest, sie erzählt eine Geschichte, in der es am Ende schon wieder mehr um die Zuversicht als um das Leiden geht. Gerade war Professor Chlodwig Kirchhoff da, die Sorge um die Genesung wird ein wenig geringer, und Michael Teuber befasst sich wieder ein wenig mehr mit der Frage nach der Form und nach den Paralympics in Paris. Wird er nominiert, wird er performen können?
Michael Teuber (56) ist einer der bekanntesten deutschen Sportler. Sein Lebenseinschnitt war 1987 ein Autounfall im Urlaub in Frankreich mit ihm als Beifahrer, er erlitt eine inkomplette Querschnittslähmung. Eine Restfunktion im Oberschenkel blieb ihm erhalten, darauf gründete er seine Karriere als Profiradfahrer, seit Sydney 2000 war er bei allen Paralympischen Sommerspielen am Start, er gewann fünf Goldmedaillen. Mithilfe von Schienen kann er gehen, er bestieg den Kilimandscharo und den anspruchsvollen Chimborazo, der über 6200 Meter hoch ist. Michael Teuber ist ein „role model“ für Resilienz – und die wird ihm nun wieder abverlangt.
Folgendes ist ihm widerfahren: Er war im Trainingslager auf Lanzarote auf den Kanaren, am 5. März solo unterwegs. Und wieder schnell: „Über 60, eher sogar über 70 km/h – denn ich bin Rennfahrer, da ist das normal.“ Bei diesem Tempo kollidierte er mit einem Auto. „Nach meiner Auffassung und der der Polizei“, sagt er, „war es ein Verkehrsverstoß des Autos, das nach links über die durchgezogene Mittellinie fuhr. Ich habe im Prinzip nichts falsch gemacht.“ Er flog über das Fahrzeug, auf die Straße, das war noch das Glück, „dass es mich nicht in die gezackten Lavafelsen schleuderte“. Ein Glück war auch die zufällige Fügung, dass fünfzig Meter hinter Teuber ein Radler unterwegs war, der ihn, als er auf der Straße lag, erkannte: „Wir hatten gemeinsame Bekannte. Aus meinem Nationaltrikot und den Schienen hat er den Schluss gezogen, dass ich Michael Teuber sein muss.“ Teuber selbst hatte nach dem Aufprall erst einmal „zehn Minuten Filmriss“.
Ein Krankenwagen brachte ihn in die Hauptstadt Arecife, im dortigen Krankenhaus verbrachte Teuber zwei Tage auf der Intensiv-, fünf auf der Normalstation. Seine Frau reiste nach Lanzarote, kümmerte sich um ihn, bis er erst am vergangenen Sonntag für transportfähig erklärt wurde („Wegen der Gefahr eines Pneumothorax, bei dem sich zwischen Lunge und Rippen Luft befindet“). In München ging es direkt ins Krankenhaus rechts der Isar.
Die Verletzungen, die Michael Teuber auf Lanzarote erlitten hatte: ein Schlüsselbeinbruch, der als offen diagnostiziert („Der Knochen bohrt sich von innen nach außen durch“) und nun vom Schulterspezialisten Professor Kirchhoff gerichtet wurde, weiterhin sind fünf Rippen gebrochen („Sie stellen chirurgisch nichts dar, verursachen aber Schmerzen“) – und auch ein Wirbel. „Zum Glück nicht mit Lähmungserscheinungen. Es ist ein stabiler Bruch, er kann selbstständig ausheilen.“ Michael Teuber ist sich darüber im Klaren, „dass es den Brustwirbel noch krasser hätte zerlegen können – dann wäre ich von der Brust abwärts gelähmt und komplett Rollstuhlfahrer“. Es würden wohl Leute sagen, er habe das Schicksal zu offensiv herausgefordert.
Das ist nicht seine Denke. Er ist Hochleistungssportler, er spricht es selber an: „Wie geht’s weiter?“
2021 in Tokio war er Fahnenträger des deutschen Teams bei den Paralympics. Das hatte was von Würdigung des Lebenswerks und von Schlusspunkt, doch die Jahre danach haben gezeigt, dass er immer noch zur Spitze gehört. 2022 war er Weltmeister in seiner Spezialdisziplin, dem Zeitfahren, 2023 gewann er WM-Silber, 2024 befand er sich bereits im dritten Trainingslager, der Formaufbau verlief stimmig. „Die Ampeln standen auf Grün, jetzt stehen sie erst mal auf Rot.“ Aber: „Ich habe Paris nicht aufgegeben, die Karten sind immer noch gut.“
Professor Kirchhoff, der stellvertretende Leiter der Unfallchirurgie im Klinikum Rechts der Isar, „hat gesagt, dass die OP nicht so witzig war“. Doch es gelang, die Entzündung im gebrochenen Schlüsselbein einzudämmen. Entwarnung auch in diesem Bereich: Teuber hatte keine multiresistenten Keime aus dem Ausland mitgebracht. Seine Idee, „so schnell wie möglich wieder aufs Rad zu steigen“, wurde aber eingefangen. „Professor Kirchhoff hat mit mir Klartext gesprochen und die Leitplanken gesetzt. Er weiß, dass ich Leistungssportler bin und in der Paralympischen Saison stehe.“ Der Fahrplan ist nun: Entlassung voraussichtlich heute, dann erst einmal spazieren gehen und Rad-Wiedereinstieg über die Rolle.
Bei seinem Ausrüster Scott wartet eine neue Zeitfahrmaschine auf Michael Teuber, „diese Woche sollte ich sie eigentlich abholen“. Den Termin musste er verschieben. „Die extreme Körperhaltung beim Zeitfahren, da musst du die Schultern zusammenziehen“ – die ist kurz nach einem Schlüsselbeinbruch auch gar nicht möglich. Um Erschütterungen zu vermeiden, soll Michael Teuber erst in drei Wochen wieder auf der Straße Rad fahren. .
Im Mai finden in Europa zwei Weltcups statt, der Qualifikationskriteriumskatalog sieht vor, dass er 2024 einen Formnachweis erbringen muss – obwohl er Vizeweltmeister ist. „Jetzt sagen alle: ,Michael, werde gesund.’ Aber irgendwann stehen Entscheidungen an.“ In Ostende, beim ersten greifbaren Rennen, geht es über eine Kopfsteinpflasterpassage von einem halben Kilometer Länge, Wirde das der Körper verkraften?
Es ist alles „nicht so easy, aber ich werde von einem tollen Prof behandelt, bin ein Typ, der den Kopf schnell wieder oben hat, und werde straight alles tun, was notwendig ist, um in Form zu kommen“. Sein wichtigster Wettkampf in Paris wäre erst Anfang September. Michael Teuber glaubt, bis dahin könnte er die Form wieder aufbauen.