München – Die Wolfsburger hatten Pizza bestellt, den Klassiker unter den Eishockey-Gerichten nach Auswärtspartien. Mit ihren großflächigen Kartons stiegen die Spieler um kurz vor 23 Uhr in den doppelstöckigen Bus ein. Geschäftsführer Charly Fliegauf hatte sich umgezogen, er trug einen Jogginganzug für die nächtliche Rückreise, die mit sechseinhalb Stunden veranschlagt war.
Zeit, in der im Halbschlaf sinniert werden konnte: Würden die Grizzlys, die als leichter Favorit ins Viertelfinal-Duell mit dem EHC Red Bull München gestartet waren, zurückfinden zu ihrer defensiven Stabilität? Würde Torhüter Dustin Strahlmeier noch einmal so unwiderstehlich stark werden wie in den Playoff-Runden der vergangenen Jahre – oder sollte die Nummer-eins-Position dem aufstrebenden Hannibal Weitzmann übertragen werden? Können Führungen auch einmal auf mehr als ein Tor ausgebaut und länger gehalten werden? Wolfsburg hat die bisherigen zwei Matches der Best-of-Seven-Serie verloren, 3:6 am Sonntag zuhause und 3:7 am Dienstag in München. „Am Freitag“, sagt Manager Fliegauf, „ist das wichtigste Spiel der Saison.“ Ein Verkürzen des Serienstands auf 1:2 würde dem Hautrunden-Vierten Wolfsburg noch einmal Perspektive geben, mit einem 0:3 wäre die Saison so gut wie beendet. Dass das dritte Spiel im Best of Seven über den Sieger der Serie entscheidet, ist ein Mythos des Systems Playoffs.
Die Münchner sind heißgelaufen, man merkt ihnen an, dass sie sich in Spielen, in denen sie liefern müssen, wohler fühlen als im Liga-Alltag. „Ich liebe diese Zeit“, sagt Nico Krämmer, „Playoffs sind die schönste Zeit im Jahr, man merkt die Euphorie und Fokussiertheit, wenn man jeden Tag in die Kabine kommt. In den Playoffs wird das ehrlichste Eishockey gespielt.“ Krämmer selbst gelangen zwei Treffer beim 7:3, gefeiert wurde er von den Fans aber auch für seine Arbeit im Penalty-Killing.
Es war in der schwierigsten Phase des Spiels. Der EHC kassierte zu Beginn des zweiten Drittels zwei schnelle Treffer in Unterzahl und musste beim Stand von 2:2 in eine doppelte Unterzahl gehen. Krämmer bildete zusammen mit Patrick Hager und Konrad Abeltshauser eine der Spezialeinheiten für den Fall drei gegen fünf. Man versucht, ein Dreieck zu bilden, das dem Gegner die Pass- und Schussbahnen versperrt. „Du spielst mit den Odds, wo der Schuss kommen kann“, erzählt Krämmer. In der Spielvorbereitung hat man sich angesehen, wie die Wolfsburger eine doppelte Überzahl angehen, kurz spricht man sich dann auf dem Eis noch ab. „Überstehst du eine solche Situation, kann das der Mannschaft einen Push geben“, so Krämmer. „Man hört die Bank.“ Auch dass sein Name skandiert wurde, nachdem er einen Grizzly-Schuss geblockt hatte, vernahm er. „Es ehrt mich, dass das von den Fans wahrgenommen wird.“
Der EHC zog das viel zitierte Momentum auf seine Seite. Weil es im Eishockey mit seinem schnellen Schlagabtausch aber auch wieder wechseln kann, herrscht noch Vorsicht bei den Münchnern. „Die Serie wird nicht einfacher“, prognostiziert Trainer Toni Söderholm, und Nico Krämmer geht davon aus, „dass Wolfsburg am Freitag noch mehr versuchen wird, uns unter die Haut zu gehen“. Grizzly-Coach Mike Stewart versprach: „Wir werden uns gut vorbereiten.“