Nicht wenige dürften sich heimlich gefreut haben, dass Simona Halep nach der Reduzierung ihrer Dopingsperre von vier Jahren auf neun Monate ihr erstes Match in Miami verloren hat. Kollegin Caroline Wozniacki tat dies auch öffentlich. Sie verstehe nicht, warum eine Betrügerin eine Wildcard für das Turnier bekäme, sagte die Dänin. Sie wollte den Satz nicht „direkt gegen Simona“ gerichtet wissen, und doch war die Meinung klar. Dass sich vor rund eineinhalb Jahren ein unerlaubtes Mittel – das EPO-ähnliche Roxadustat – im Urin der 32-Jährigen befunden hat, ist unbestritten. Die Frage im komplizierten Fall mit hunderten Seiten an Zahlen, Untersuchungen und Meinungen ist: hat Halep vorsätzlich gehandelt, oder nicht? Die International Tennis Integrity Agency (ITIA) bejahte dies, der Internationale Sportgerichtshof CAS verneinte und verkürzte die Sperre. Ein Vorgang, der sich übrigens auch bei Marin Cilic (Nikethamid), Viktor Troicki (Bluttest verweigert), Maria Scharapowa (Meldonium), Sara Errani (Letrozol) oder Dayana Yastremska (Mesterolon) so zutrug.
Ist die Menge der jüngsten Fälle vielleicht schon ein Hinweis auf ein Dopingproblem im Tennis? Tendenziell schon. Und Halep? Die folgte der gleichen Strategie wie beispielsweise Errani und argumentierte, dass die Substanz versehentlich in ihren Körper gelangt sei. Bei der Italienerin war – kein Witz – die Nudelsauce Schuld, bei Halep ein Keto-Pulver. Dessen Hersteller verklagte die Rumänin Anfang des Jahres auf zehn Millionen Dollar Schadensersatz. Das Urteil steht noch aus, aber der Chef der kanadischen Firma verwies auf „Hunderte von (sauberen) Athleten“, die das Produkt zu sich nehmen würden, darunter andere Tennisspieler. Auch im Zeitraum der US Open 2022, als Halep positiv getestet wurde.
Um den Gegenbeweis zu erbringen, ließ der Toxikologe Jean-Claude Alvarez Testpersonen das Pulver einnehmen – tatsächlich wurden Roxadustat-Spuren entdeckt. Haleps Konzentration sei laut ITIA aber „zwischen 46- und 85-mal höher“ gewesen. Die Vergleichsstudie wäre natürlich dennoch interessant, hätte sich Alvarez danach nicht selbst lächerlich gemacht. Mit Blick auf die Wirkung des Stoffs – es stimuliert die Produktion von Hämoglobin und roten Blutkörperchen – und die damit einhergehende angebliche Sinnlosigkeit eines bewussten Konsums, behauptete der Franzose: „Im Tennis braucht man keinen Sauerstoff.“
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