Frankfurt/Lyon – Die Stimmung ist gut bei der deutschen Nationalmannschaft. Das war in den vergangenen Tagen am Frankfurter DFB-Campus an jeder Ecke zu beobachten. Bundestrainer Julian Nagelsmann duellierte sich laut lachend mit Co-Trainer Sandro Wagner auf Mini-Tore, Jamal Musiala täschtelte Antonio Rüdiger den Kopf und schwang sich anschließend um den Hals des Verteidigers – und das Stürmer-Duo Niclas Füllkrug und Deniz Undav legte einen Gute-Laune-Auftritt bei seiner ersten gemeinsamen Pressekonferenz hin. „Wir sind beide zwei Quatschköpfe, die ein bisschen Humor in die Gruppe bringen“, sagten sie.
Doch spätestens Samstagabend ist Schluss mit lustig. Dann steht im Testspiel gegen Frankreich (21 Uhr, ZDF) nämlich der erste Ernstfall im EM-Jahr an. Den DFB-Protagonisten ist bewusst: Es braucht spielerisch und vor allem kämpferisch eine angemessene Leistung, um Fußball-Deutschland Turnier-Hoffnungen für die Europameisterschaft im eigenen Land zu machen. Blamieren ist verboten. Der Bundestrainer hat dem Duell mit dem Vizeweltmeister die Überschrift „Wir kicken“ verpasst und hofft, trotz aller Ernsthaftigkeit endlich wieder eine gewisse Leichtigkeit im deutschen Spiel zu sehen. „Es ist Fußball, nicht Politik. Fußball, nicht mehr, nicht weniger, mit all seinen Emotionen. Wir versuchen zu gewinnen und am Ende müssen wir uns an der EM messen lassen. Aber das Messgerät halten wir in der Hand“, sagte Nagelsmann am Freitag in Lyon.
Kapitän Ilkay Gündogan fordert im DFB-Magazin: „Die Lust zu gewinnen, muss immer deutlich höher sein als die Angst zu verlieren. Wenn eine Mannschaft einen Negativlauf hat, sieht man häufig, dass das Gegenteil der Fall ist – dann passieren noch deutlich mehr Fehler.“ Für die DFB-Kicker und den Bundestrainer gilt es, die jüngsten Nebengeräusche um den historischen Ausrüster-Wechsel von Adidas zu Nike (Seite 29) komplett auszublenden und sich rein auf das Sportliche zu konzentrieren. Die Aufgabe gegen die prominent besetzten Franzosen – angeführt von Superstar Kylian Mbappé – ist ohnehin schon schwierig genug. „Wir müssen uns individuell durchsetzen, aber auch als Mannschaft“, sagt Füllkrug.
Bei der letzten Einheit in Frankfurt machte der Bundestrainer keinen Hehl daraus, auf wen er in der Startelf vertraut – und ließ die A- und B-Elf getrennt an den DFB-Campus fahren. Aus dem „Stammplatz-Bus“ stiegen neben Marc-André ter Stegen Joshua Kimmich, Jonathan Tah, Antonio Rüdiger, Maximilian Mittelstädt, Toni Kroos, Robert Andrich, Florian Wirtz, Gündogan, Jamal Musiala und Kai Havertz.
„Wir brauchen genügend Spieler, die die Fähigkeit haben, zu verteidigen. Aber wir brauchen auch Spieler, die in der Offensive entscheiden können. Wir haben die Woche gut gearbeitet, ohne dass wir Rocky-Balboa-Szenen gezeigt haben. Am Ende ist es ein Mannschaftssport“, gibt der Bundestrainer die Marschrichtung vor. Eine zentrale Rolle wird dabei Kroos im Mittelfeldzentrum einnehmen, sehr zu Freude von Ilkay Gündogan, wie der Kapitän am Freitag verriet: „Es ist ein tolles Gefühl, Toni hinter sich zu haben. Es gibt im europäischen Fußball nicht viele Aufbauspieler, die Tonis Qualitäten haben. Ich verspreche mir sehr viel davon.“ Für Nagelsmann geht es darum, an den Weg zu glauben, „den wir eingeschlagen haben“.