Frankfurt – Den gesamten Rücken von Robert Andrich ziert eine dreiköpfige Löwen-Familie in Form eines XXL-Tattos – und dass der Mittelfeldabräumer auch auf dem Feld bissig ist, bekam Superstar Kylian Mbappé beim deutschen 2:0-Erfolg in Lyon am eigenen Leib zu spüren. Mitte der zweiten Hälfte räumte er den blitzschnellen Angreifer rigoros ab. Mbappé ließ sich von dem Foul provozieren – und trat in Richtung Andrich aus. Beide Übeltäter sahen die Gelbe Karte. „Wenn ich noch mehr daraus mache, ist es noch klarer Rot. Wenn er die bekommt, habe ich alles richtig gemacht“, sagte Andrich nach der Partie und fletschte auch verbal die Zähne.
Dieses Verhalten auf und neben dem Platz ist der beste Beweis, dass der Leverkusener keinen Gegenspieler scheut – egal wie groß dessen Name ist. „Es war eine Situation, wo ich ihm ein kleines Zeichen mitgeben wollte“, erklärte der Bayer-Profi, der erst sein zweites Länderspiel absolvierte und dabei erstmals von Beginn an ran durfte.
Dabei sahen ihn viele Experten im Duell mit Pascal Groß von Brighton & Hove Albion um den Platz im Mittelfeld neben Regisseur Toni Kroos im Hintertreffen. Vielleicht auch, weil er in Leverkusen nicht wirklich an den Top-Sechsern Granit Xhaka und Exequiel Palacios vorbeikommt. Doch Andrich hat sich bei der Nationalmannschaft in die Startelf gekämpft und lehrt den Gegenspielern als Kroos’ Kettenhund das Fürchten. Das Zusammenspiel mit dem Königlichen beschreibt sein „Worker“ wie folgt: „Er ist ein sehr ruhiger Kompagnon, der seine Autorität zeigt. Das sah gar nicht so verkehrt aus mit uns beiden.“
Der gebürtige Potsdamer wusste auch in Sachen Statistik zu überzeugen: Er hatte 114 Ballkontakte (Kroos 143) und eine Passquote von 90 Prozent (Kroos 95 Prozent). „Ich glaube schon, dass ich vom Profil etwas ausstrahle, dass ich der Mannschaft helfen kann“, so Andrich. Eine hohe Meinung hat übrigens auch Lothar Matthäus von ihm. „Kroos hat seine Aufgabe hervorragend erfüllt, auch dank seiner Mitspieler wie Robert Andrich, den ich auch schon zur WM nach Katar mitgenommen hätte“, schreibt der DFB-Rekordspieler in seiner Sky-Kolumne.
Das dürfte Bundestrainer Julian Nagelsmann in seiner Wahl bestätigen. „Ich sehe die vorne, die dabei sind, deswegen sind sie dabei. Es geht in der Bewertung nicht nur um Talent und Möglichkeiten“, sagte Nagelsmann zum Kampf um die Position neben Kroos. „Wir müssen den Groove reinbekommen, Eingespieltheit reinbekommen, dann können wir etwas reißen“, sagt er.
Andrich hat als Spätberufener mit gerade zwei Länderspielen dafür prominentere Namen verdrängt. Als Nebenmann passt der 29-Jährige besser zum Real-Dirigenten Kroos als Joshua Kimmich, der nun hinten rechts verteidigt und Ilkay Gündogan, der weiter vorne die Bälle verteilen soll. Leon Goretzka ist gar nicht mehr dabei.
Wie groß die Wertschätzung ist, zeigt auch folgender Vorgang: Andrich nahm am Montag neben Nagelsmann auf der Abschlusspressekonferenz vor dem Spiel gegen die Niederlande am Dienstag (21 Uhr, RTL) Platz. Wer in den vergangenen Jahren zu diesem Zeitpunkt neben dem Bundestrainer saß, konnte sich für gewöhnlich seines Stammplatzes im nächsten Spiel sicher sein.