Nur Talent reicht nicht

Sané muss liefern

von Redaktion

JAN CHRISTIAN MÜLLER

Als Joachim Löw noch Bundestrainer war, konnte niemand den gewohntermaßen in sich ruhenden Südbadener großartig erschüttern. Außer Leroy Sané. Der schwer erziehbare Offensivmann hat den Bundes-Jogi mit seinem Schlendrian fast in den Wahnsinn getrieben. Irgendwann wusste Löw die hängenden Schultern des Hochbegabten nicht mehr zu ertragen – und strich ihn kurzerhand aus dem WM-Kader 2018.

Sechs Jahre später steht Sané gerade wieder nicht im DFB-Aufgebot. Er ist zwar längst zu einer kleinen Fleißbiene mutiert, aber ein selten dämlicher Platzverweis mit anschließender Drei-Spiele-Sperre wegen eines Revanchefouls verbietet ihm die Teilnahme an Länderspielen. Wie umgehen mit einem, dem soviel Talent geschenkt wurde?

Julian Nagelsmann hat das dieser Tage sehr viel klüger moderiert, als er Sanés Tätlichkeit im November in Österreich mit halbgaren Argumenten zu verteidigen versuchte. Der Bundestrainer dozierte, Sané verfüge über „eine Qualität, auf die wir nicht verzichten wollen“. Gleichwohl setze er eine funktionierende Gemeinschaft über die persönlichen Befindlichkeiten des Einzelnen. Ergo: Sané sei nach Abbüßung seiner Sperre herzlich willkommen, „aber es geht auch für ihn darum, sich einzugliedern“ und zeitig Gedanken darüber zu machen, ob er mit der jedem Spielern zugewiesenen Rolle „zurechtkommt“.

Nagelsmann will keine Nörgelpötte im EM-Kader erleben, die sich aus Gründen des Eigennutzes miesepetrig rumfläzen, weil ihnen ein Bankplatz zu sehr auf Hintern und Gemüt drückt. Der Bundestrainer kennt Sané aus gemeinsamer Bayern-Zeit, die beiden sind bestens miteinander ausgekommen: „Leroy hat einen sehr guten Charakter.“ Es ist für den Erfolg der Mannschaft womöglich förderlich, dass ein junger Trainer wie Nagelsmann, gerade mal 36, sich leichter tut mit den mitunter unergründlichen Befindlichkeiten der „Generation Sané“.

Jogi Löw hatte sich irgendwann angewöhnt, einfach drüber wegzuschauen, wenn Sané mal wieder nachlässig trainierte. Doch auch diese altmodische Form antiautoritärer Erziehung hat ihm am Ende nichts mehr genutzt. Löw musste gehen, Sané ist bald wieder da. Er sollte dann mal liefern.

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