„Ich wollte ein wilder Hund sein“

von Redaktion

Anekdoten und Mythen mit Eishockey-Legende Hans Zach anlässlich des 75. Geburtstags

Diesen Samstag wird Hans Zach 75. Er grüßt aus Gran Canaria. Vor seiner Reise haben wir mit dem Tölzer über sein Leben im Eishockey gesprochen. Was er erreichte (je zwei Deutsche Meisterschaften als Spieler und Trainer, Nationalspieler und Bundestrainer) und vor allem, wie er es erreichte, das macht ihn zu einer Marke seines Sports.

Hans Zach, wie sieht Ihr perfekter Tag aus, wenn Sie zuhause sind?

Ich schaue zum Fenster raus, und wenn das Wetter schön ist, geht es auf den Berg oder mit dem E-Bike, das ich seit einem halben Jahr habe, mit meiner Frau ins Vor-Karwendel. Ab 1. Mai kommt wieder das Fliegenfischen in der Isar dazu.

Und abends – Eishockey schauen?

Im Fernsehen, ab und zu in der Halle in München und Ingolstadt. Weiter fahre ich nicht mehr.

Als Trainer haben Sie 2010 mit der Meisterschaft mit Hannover aufgehört und sind relativ konsequent dabei geblieben, dass Schluss ist – ausgenommen das Comeback 2014 für Mannheim.

Die Mannheimer haben gebeten: „Hilf uns für drei Monate.“ An Silvester 2013 habe ich unterschrieben, man sagte mir, ich solle am 2. oder 3. Januar anfangen. Ich habe gesagt: „Ich mache es g’scheit, morgen bin ich da.“ Ich habe am 1. Januar noch das Neujahrsspringen angeschaut, dann bin ich losgefahren. Und war dann konsequent wie immer.

Das sah wie aus?

Es ist in der DEL üblich, dass die Mannschaften sich zum Frühstück treffen, trainieren, mittagessen, und dann ist der Tag vorbei. Ich wollte, dass auch abends trainiert wird, damit die Jungen, die 17- bis 19-Jährigen, die tagsüber Schule oder Ausbildung haben, mit den Profis zusammenkommen. Mannheim war in zehn Jahren neunmal Meister der DNL geworden (Deutsche Nachwuchs Liga, d. Red.), da wäre es ein Armutszeugnis gewesen, sie nicht bei uns mittrainieren zu lassen. Das habe ich durchgesetzt. Ich werde heute noch angesprochen, ob ich nicht mal zwei, drei Stunden in Tölz mit den Trainern am Stammtisch reden könnte. Aber das würde nichts bewirken. Man muss dabei sein, und so intensiv, wie ich es gemacht habe, konnte ich es nicht mehr.

Auch körperlich nicht mehr?

In Hannover habe ich den Spielern noch vorführen wollen, wie man über Kästen springt – und mir einen Muskelriss geholt . . . Ich habe jetzt schon lange keine Schlittschuhe mehr, die habe ich verschenkt. Ich habe fünf Stents eingesetzt bekommen, die ich aber nicht spüre. Es geht mir also gut.

Es gibt viele Anekdoten über Sie, fast Mythen. Lassen Sie uns einige beleuchten. Es hieß, Sie rieten Ihren Spielern, Stierblut zu trinken.

Darüber muss ich lachen. Ein Rindsblut, das trinkst du nicht. Schweineblut, das haben wir probiert. Als Lehrling in der Metzgerei hat man das Schweineblut umgerührt, damit es nicht stockt. Es wurde dann zu Blutwurst verarbeitet.

Spielern haben Sie den Konsum von Cola untersagt . . .

. . . ja, außerdem waren Kaugummi und Baseball-Cap beim Essen nicht erlaubt und dass man beim Warmmachen den Helm offen trägt. Ich habe es den Spielern erklärt: „Ihr seid Idole, was ihr vorführt, machen Kinder euch nach. Und wenn eines von einer Million den Kaugummi verschluckt und erstickt oder sich einen Schädelbasisbruch zuzieht, weil es ungeschützt auf den Hinterkopf fällt, ist es das nicht wert.“ Als ein Spieler, er war aus Kanada, das mit der Kappe runter beim Essen nicht verstand, habe ich ihm gesagt: „Bei uns gibt’s keine Pappendeckelhäuser, unsere Häuser sind alle gut gebaut, dir wird’s nicht in die Suppe oder auf den Kopf regnen.“ Ich kann auch noch eine weitere Geschichte erzählen. . .

Nämlich?

In Düsseldorf, als ich die DEG trainierte. Die Mannschaft hatte ein Büffet gehabt und saß schon wieder im Bus. Ich sah noch einige Teller, die halb voll waren, Apfelschorlen, die nicht ausgetrunken waren. Ich habe die Mannschaft aus dem Bus geholt und den Spielern gesagt: „Wenn ihr das selbst zahlen müsstet, würdet ihr euch die Teller nicht so vollladen.“ Ich habe immer auf die sozialen Grundpunkte geachtet, die Spieler sollten Bitte- und Dankeschön zum Materialer sagen, wenn sie von ihm was brauchten und bekamen. Wir hatten stets ein gutes Klima in der Mannschaft. Und wir brauchten keine Geldstrafen, die habe ich überall abgeschafft. Es hat funktioniert. Wir waren pünktlich, weil der Bus zur vereinbarten Zeit auch losgefahren wäre, wenn ich gefehlt hätte. Viele Spieler, auch die aus Nordamerika, haben gesagt: „Es war hart unter dem Hans, aber er war ehrlich.“ Ich habe zur Mannschaft gehalten, wenn sie im Recht war. Zu meiner Zeit in Hannover hat Günter Papenburg (der Club-Eigner, d. Red.) die Karten der Spielerfrauen verkauft, als die Halle voll wurde – da bin ich zu ihm hin, und nach der Saison war für mich Schluss.

Wie wurden Sie so, wie Sie sind?

Durch die Erziehung meines Vaters. Bei ihm galt: Ein Handschlag ist ein Handschlag. Er war gerecht. Die kleinen Bauern in der Gegend behandelte er großzügig, mit den großen verhandelte er hart. Wenn er unsere Junioren-Mannschaft zum Auswärtsspiel nach Garmisch-Partenkirchen fuhr, durften die Spieler in seinen Mercedes, die sonst nie in einem solchen Auto fuhren. Für mich gab’s nur einen Platz im Goggomobil.

Ihr Vater war Metzger.

Und er wollte, dass ich das nicht werde, da klar war, dass mein 16 Jahre älterer Bruder die Metzgerei übernehmen würde. Doch ich wollte Metzger werden, weil das die wilden Hunde waren.

Sie legten aber noch eine Ausbildung zum medizinischen Bademeister nach und wurden in den 80er-Jahren der erste Diplom-Trainer im Eishockey.

Aber meiner Frau habe ich schon gesagt: Auf meinen Grabstein soll sie Metzgermeister schreiben lassen.

Noch zu einem Mythos aus Ihrer Trainerkarriere: 1994 gab es einen Streik in der NHL, einige große Stars spielten kurz in Deutschland. Bei Ihnen in Düsseldorf war das Brendan Shanahan. Die Legende geht, Sie hätten einem der weltbesten Torjäger erklärt, dass er den Schläger anders halten müsse . . .

Das ist ein Märchen. Ich war in Düsseldorf bereits im fünften Jahr, hatte um weitere drei verlängert, und einige hätten mich gerne weggehabt, weil ich unentwegt jüngere Spieler reingebracht habe. . . Nein, zwischen Shanahan und mir hat’s nichts gegeben. 2002 bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City bin ich ihm wiederbegegnet. Ich war deutscher Bundestrainer, er spielte für Kanada und kam extra her, um mich zu begrüßen. 70 Prozent der Spieler, die ich trainiert habe, dürften bessere Spieler gewesen sein als ich – aber ich wusste, wie wir gewinnen.

Zwei Geschichten noch, die nicht mehr viele auf dem Schirm haben. Die eine: Sie waren 1993 auf der Titelseite des Playboy.

Das weiß ich selbst jetzt auch nicht mehr.

Da stand: „Eishockey-Meistertrainer Zach: .Mit Pornos mache ich meine Spieler heiß.’“ Im Interview hatten Sie sinngemäß gesagt, wenn’s der Leistung zuträglich wäre, würden Sie auch Sexfilme zeigen.

Das muss in der Euphorie gewesen sein, dass ich das gesagt habe. Aber wenn ich mich nicht daran erinnere, ist es das auch nicht wert.

Und jetzt noch: 1990, Dubai.

Das war ein Highlight, das war super!

Der Hintergrund war: Bei den Heimspielen von Hedos München in der 2. Liga tauchte ab und zu ein Scheich aus Dubai auf, er war vom Eishockey begeistert und lud Hedos zu sich ein. Die Münchner mussten allerdings einen Gegner mitbringen, das waren die von Ihnen trainierten Bayreuther. In der Wüste kam es zu gewissen Spannungen.

München und wir sollten ein Turnier spielen, um einen Pokal so groß wie der Stanley Cup. Die Tore haben wir selbst mitgenommen im Flieger. Es gab für die Reise einen Vertrag, auf Englisch abgefasst, ich habe nur das Sportliche gelesen, aber wohl als einziger. Es stand: Wer in den drei Spielen die meisten Tore schießt, ist der Sieger. Also nicht zwingend der, der mehr Spiele gewinnt. Das erste Spiel gewannen wir 4:1, das zweite die Münchner 2:1. Ich weiß noch, dass die Scheichs auf der Ehrentribüne im ersten Spiel nach dem ersten Drittel aufgestanden und gegangen waren, weil sie dachten, das Spiel ist schon aus. Vor dem dritten Spiel sagten die Münchner: „Wir haben euch eingeladen und müssen gewinnen.“ Wir sind zum Kompromiss gekommen, dass wir die Mannschaften mischen, doch ich habe darauf bestanden, dass ich bei den Gelben, Bayreuth, an der Bande stehe. Wir lagen mit zwei Toren hinten, brauchten noch eines und schossen es, verloren also mit einem Tor Unterschied. Hedos-Manager Franz Hofherr strahlte schon, doch ich sagte zu meinem Kapitän Bernhard Kaminski: „Mach dich bereit, gleich bekommst du den Pokal.“ Und so war’s: Sieger das „Team Yellow“. Den Münchnern ist alles in die Hose hineingefallen.

In der Münchner Boulevardpresse war die Dubai-Reise ein großes Thema – wegen der Konflikte und auch wegen Ihnen.

Die Münchner haben sich gesonnt, wir waren normale Leute und haben Volleyball gespielt. Es gab eine Wüstentour, auf der wir fast verdurstet wären, und in der Abendzeitung stand: „Am sechsten Tag huschte erstmals ein Lächeln über das Gesicht von Hans Zach“ – als für uns ein Lamm geschächtet wurde. Es war eine urige Reise.

Sie haben in Ihrer Trainerzeit oft auf Fehlentwicklungen im deutschen Eishockey hingewiesen und Veränderungen angemahnt. Erkennen Sie an, dass heute vieles richtig gemacht wird?

Die machen heute vieles besser, ich bin überzeugt, dass in den Zentren von Red Bull und in Mannheim gut ausgebildet wird. Aber die Arbeit in den Vereinen könnte noch viel besser sein.

Interview: Günter Klein

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