Plötzlich Titelanwärter

von Redaktion

„Es kann etwas Großes entstehen“ – DFB nach zwei Siegen auf Euphoriewelle

VON MANUEL BONKE UND PHILIPP KESSLER

Frankfurt – So schnell kann’s gehen in der deutschen Fußballwelt: Wurde einem nach den schwachen Auftritten im November noch angst und bange um die Nationalmannschaft im Hinblick auf die Europameisterschaft, hat sich das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann in vier Monaten zum Titelanwärter aufgeschwungen. Nach dem 2:1 (1:1) gegen die Holländer sagte Lothar Matthäus am RTL-Mikrofon: „Jetzt wissen sie, was sie können. Gegen zwei tolle europäische Mannschaften hat das Team zweimal verdient gewonnen und hat auch gezeigt, dass die Einwechselspieler sich nahtlos einfügen. Da kann wirklich etwas ganz Großes entstehen.“

Selbst der frühe Rückstand gegen die Holländer nach vier Minuten brachte das DFB-Team nicht aus dem Konzept. Statt mannschaftlich auseinanderzubrechen, wie in der Vergangenheit häufig geschehen, schüttelten sich die Spieler kurz und drehten die Partie durch die Treffer von Maximilian Mittelstädt (11. Minute) und des eingewechselten Niclas Füllkrug (85.), der den Ball mit der Schulter ins Oranje-Tor bugsierte.

„Wir haben eine Konstanz an den Tag gelegt, wie auch schon gegen Frankreich. Wir hatten auch keine wilden Phasen, sondern sind geduldig und mutig geblieben“, analysierte der Dortmunder. Bevor der Bundestrainer Füllkrug & Co zurück in ihre Vereine schickte, versammelte er sie in der Kabine. „Ich habe ihnen gesagt, dass die zehn Tage von A bis Z sehr viel Spaß gemacht haben. Die Gruppe hat das echt sehr, sehr gut gemacht, sie haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander, aber auch einen brutalen Ehrgeiz“, berichtete Nagelsmann von seiner Kabinenansprache.

Eine überdeutliche Ansage des 36-Jährigen schweißte die 23 Gefährten von Frankreich und Frankfurt noch fester zusammen. „Wer jetzt nicht dabei war, muss Vollgas geben – und besser sein als diejenigen, die dabei sind“, sagte Nagelsmann in aller Härte. „Wir werden nicht zehn oder fünf Spieler tauschen. Vielleicht einen oder zwei, wenn sich niemand verletzt.“ Gewinner sind die Stammspieler – und jene, die später den deutschen Ballzirkus belebten, Verlierer all die Daheimgebliebenen. Die ganzen Dortmunder, seien es Brandt, Hummels, Süle, bei den Bayern Goretzka und Gnabry. Sie waren nicht dabei, als sich Magie entfaltete; jedoch bei den Blamagen gegen die Türkei und in Österreich.

Seitdem hat sich vieles verändert. „Vor ein paar Monaten“, sagte der neue Boss Toni Kroos, „wären wir nach dem 0:1 wahrscheinlich halb zusammengebrochen.“

Nagelsmann hat durch seine clevere Kader-Zusammenstellung einen enormen Anteil daran, dass die Nationalmannschaft pünktlich zum EM-Jahr wieder Spaß macht. Füllkrug versuchte das neue Hoch zu erklären: „Natürlich ist es eine ganz andere Gruppe, die du jetzt beisammen- hast. Dann helfen aber auch Erfolgserlebnisse. Wir haben eine neue Systematik trainiert – und das hat sehr schnell funktioniert. Das hat sich sehr positiv angefühlt auf dem Platz. Und das gibt den Spielern und dem Trainer dann ein gutes Gefühl.“ Das bestätigte auch der Bundestrainer: „Der Spirit hat sich ganz anders angefühlt als im November. Wir hoffen, dass es auch von Ende Mai bis Mitte Juli ineinander greift.“

Bis dahin versuchen die Nationalspieler eine gewisse Demut an den Tag zu legen. „Wir wissen, wo wir herkommen. Wir drehen jetzt nicht durch“, sagte Routinier Thomas Müller.

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