Sommermärchen-Prozess: Hoeneß, Netzer – und Fritz Keller

von Redaktion

Oberstaatsanwalt möchte auch den ehemaligen DFB-Präsidenten vorladen – Wirbel um Beckenbauer-Aussage

Frankfurt/Main – Nach Uli Hoeneß und Günter Netzer soll auch der ehemalige DFB-Präsident Fritz Keller im Sommermärchen-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt/Main aussagen. Dies kündigte Oberstaatsanwalt Jesco Kümmel am Donnerstag beim dritten Verhandlungstag an. Keller soll dabei wegen widersprüchlicher Aussagen in einem Protokoll des Beratungsunternehmen Esecons befragt werden. Keller (66) war von 2019 bis 2021 Chef des Deutschen Fußball-Bundes.

Zuvor war bereits öffentlich geworden, dass Uli Hoeneß (72) am 15. April aussagen soll. Der Ehrenpräsident des FC Bayern hatte im Sport1-Doppelpass 2020 und im Podcast „11Leben“ 2021 Andeutungen gemacht, dass er mit Blick auf die Millionenzahlung rund um die WM 2006 mehr wisse. Der frühere Nationalspieler Günter Netzer soll im Mai aussagen. Bei dem Prozess sind bis Oktober weitere Termine angesetzt. Auch eine Vorladung des früheren FIFA-Funktionärs Urs Linsi ist für Oberstaatsanwalt Kümmel „zwingend“.

Zuerst der Spiegel und dann die Süddeutsche Zeitung berichteten von einem Dokument aus einer internen Untersuchung zum Sommermärchen, die der Verband vor einigen Jahren durch Esecon vornehmen ließ. In einem von Schmidt nicht autorisierten Protokoll soll der frühere DFB-Generalsekretär gesagt haben: „Dennoch muss vermutet werden, dass das Geld zum Stimmenkauf genutzt worden ist.“ Stimmenkauf bei der Vergabe der WM 2006 hat er stets bestritten.

In dem Prozess, der im März begonnen hat, geht es um eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro, die der DFB im April 2005 über die FIFA an den französischen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus überwiesen hatte. Exakt diese Summe hatte Franz Beckenbauer drei Jahre zuvor als Darlehen von Louis-Dreyfus erhalten, diese 6,7 Millionen Euro waren letztlich beim früheren FIFA-Vizepräsidenten Mohammed bin Hammam gelandet.

Den ehemaligen Spitzenfunktionären Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Schmidt wird von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, dass diese Summe in der Steuererklärung des Verbandes für das Jahr 2006 unberechtigt als Betriebsausgabe in die Gewinnermittlung eingeflossen sein soll.

Interessant auch: Der Anfang des Jahres verstorbene Beckenbauer soll inmitten der Wirren um die umstrittene Millionen-Zahlung vor der WM 2006 mit Rücktritt gedroht haben. Dies geht aus Aussagen von DFB-Anwalt Jan Olaf Leisner, die er mit Bezug auf eine Einlassung von Schmidt vortrug. Beckenbauer hätte bei einer Sitzung Rücktrittsgedanke geäußert, da ihm die Sache „über den Kopf wachse“.

Leisner und Schmidts Anwalt Tilman Reichling weisen den Vorwurf zurück, dass mit den 6,7 Mio. bei der WM-Vergabe Stimmen gekauft worden seien. Oberstaatsanwalt Jesco Kümmel machte keinen Hehl daraus, dass er die Erklärungen Leisners zur Betriebsausgabe für „Unsinn“ hält. Er sprach von der Möglichkeit, dass der DFB „ein halblegales Korruptionsmodell entwickelt hat“.  sid, dpa

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