Bayern – BVB verliert an Reiz

Vom Klassiker zum gewöhnlichen Spiel

von Redaktion

VINZENT TSCHIRPKE

Es ist eine ungewohnte Situation: Wenn der FC Bayern an diesem Samstag auf den BVB trifft, geht es sportlich um so wenig wie lange nicht. Es ist 14 (!) Jahre her, seit letztmals keines der beiden Teams beim direkten Duell in der Rückrunde an der Tabellenspitze stand. Seit dieser Partie im Februar 2010 ging es immer um die Meisterschaft, der Beiname „Klassiker“ entwickelte sich nicht zuletzt, weil in ihm meistens der Titelgewinn (vor)entschieden wurde.

Diesmal sind die Vorzeichen andere: Bayer 04 ist dem Rekordmeister enteilt, ein Sieg muss zwar allein aus Prestigegründen her, dürfte Xabi Alonso und Leverkusen ob ihrer zehn Punkte Vorsprung aber kaum ins Schwitzen bringen. Die Dortmunder haben mit dem Meisterschaftskampf noch viel weniger zu tun, aufgrund der geänderten Koeffizienten-Regel in der Champions League reicht für sie aber selbst wohl Platz fünf in der Bundesliga, um sich für die Königsklasse zu qualifizieren.

Es wird zwar kein Verantwortlicher zugeben, aber: Für den restlichen Verlauf der Saison ist die Partie kaum relevanter als ein gewöhnliches Ligaspiel. Der Klassiker verkommt zum Langweiler, was auch am Auftreten des BVB liegt. Seit 2018 haben die Schwarz-Gelben nicht gegen Bayern gewonnen, allein vom Spannungsgrad wurde das Spitzenspiel längst von Duellen mit Leverkusen oder Leipzig abgehängt. Und mit dem VfB Stuttgart macht sich gerade ein weiteres Team auf den Weg, die dritte Kraft im deutschen Fußball zu werden.

Aus neutraler Sicht verliert damit ein Duell seinen Glanz, das viele Geschichten geschrieben hat: Klopp gegen Heynckes, Transferdramen wie von Götze oder Lewandowski und nicht zuletzt der Kampf zwischen BVB- und Bayern-Spielern um die Plätze in der Nationalmannschaft. Wie viel sich auch in diesem Aspekt gewandelt hat, zeigt ein Blick in die vergangenen Länderspiele: Mit vier Spielern (Undav, Führich, Mittelstädt, Anton) war es der VfB Stuttgart, der die meisten Profis zur Nationalelf entsandt hat. Platz zwei teilten sich der FC Bayern (Kimmich, Müller, Musiala) und Leverkusen (Tah, Wirtz, Andrich), der BVB stellte nur einen Akteur (Füllkrug).

Der FCB dürfte in dieser Statistik schon zur EM die Nase vorne haben, sobald Neuer und Pavlovic fit sind sowie Sané seine Rotsperre abgebüßt hat. Das Schicksal der Dortmunder bleibt dagegen ungewiss – genau wie die Zukunft des Klassikers.

Vinzent.Tschirpke@ovb.net

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