Fischtown auf der Woge der Sympathie

von Redaktion

EISHOCKEY Münchens Playoff-Gegner plötzlich Medienstar – Heute zweites Halbfinale

VON GÜNTER KLEIN

München – 3:0 gewannen die Fischtown Pinguins Bremerhaven am Ostermontag ihr erstes Spiel der Best-of-Seven-Halbfinalserie gegen München, das Datum war der 1. April, ein historischer Tag. Erstmals erlebten die 2016 in die Deutsche Eishockey Liga gekommenen Norddeutschen Playoffs jenseits des Viertelfinales, ein Anlass, der die ganze Stadt (115 000 Einwohner) flirren ließ.

Zudem fand die offizielle Übergabe der Amtsgeschäfte im sportlichen Bereich statt: Alfred Prey, kürzlich 70 geworden und das schnauzbärtige Gesicht des Bremerhavener Eishockeys, ist nach 32 Jahren im Vereinsdienst nicht mehr Teammanager, als solcher fing nun Sebastian Furchner (41) an. Prey sagt über seinen Nachfolger schon zu dessen Einstand: „Er ist die beste Verpflichtung meiner Amtszeit.“ Und Prey selbst wird nicht aus der Welt sein. „Hausmeistertätigkeiten im Hintergrund“, kündigte er an. Bremerhaven schrieb mit Platz eins in der Hauptrunde die Geschichte der Saison. Seitdem ist der Club, der bislang im Mittelfeld der Liga mitschwamm, in den Medien gefragt. Schon die Person Alfred Prey entwickelt Faszination. Ein gebürtiger Oberpfälzer, der im Norden landete, weil er zur Marine ging. Was ihn mit dem Süden der Republik verbindet und speziell mit München: die Begeisterung für den TSV 1860.

Fischtown ist der Gegenentwurf zu vielen DEL-Vereinen: Man greift nicht vorrangig auf nordamerikanische Fachkräfte zurück, sondern beschäftigt Slowenen, Dänen, einen Norweger, einen Letten. Man hat keinen Hauptfinanzier wie der jetzige Halbfinalgegner EHC München mit Red Bull, sondern lauter kleine Sponsoren. Da imponiert aber die Zahl: 262. Die Bremerhavener gelten als findig – auch wenn sie jährlich die WM besuchen. Der Frankfurter Manager Franz Fritzmeier zieht gerne mit der Fischtown-Delegation durch die Halle, denn: „Alfred Prey weiß immer, wo der wahre VIP-Raum ist.“ Der noch bessere als der, in dem sich die DEL-Konkurrenten aufhalten.

Auch im Halbfinale verharrt Bremerhaven in seiner Rolle als genügsamer Außenseiter. 2017, 18 und 23 scheiterten die Pinguins in den Viertelfinals mit 0:4, 1:4 und 2:4 an München, Alfred Preys Ansage klingt verhalten: „Es heißt bei uns: Dreimal ist Bremer Recht. Wir wären bereit, den Bock umzustoßen.“ Die Münchner lobt er: „Übermannschaft der Liga“, „Eine der besten Mannschaften Europas“. Trainer Thomas Popiesch warnt davor, München zu offen zu begegnen: „Man darf in der neutralen Zone nicht aufmachen gegen sie.“ Das erste Halbfinale, das 3:0, sei schon optimal verlaufen: „Die Tore fielen zum richtigen Zeitpunkt.“

„Ein sehr solides Spiel“, sah Sebastian Furchner, der neue Teammanager, dem Alfred Preys Lobpreis „runterging wie Öl“. Furchner hat noch eine Geschichte mit München offen. Er hat die zweitmeisten Spiele der DEL-Geschichte (1119), vor zwei Jahren hörte er auf, weil er vor Schmerzen kaum noch in die Schlittschuhe kam. Doch bei der Partie, die die letzte hätte sein können, dem 2022er-Halbfinale mit Wolfsburg in München, war er verletzt und Zuschauer. Mit neuem Verein und in neuer Funktion steht er nun wieder in einem Halbfinale in München. Heute, 19 Uhr. Eine neue Chance.

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