„Ich war sicher, dass ich sterbe“

von Redaktion

Celina Weber geriet vor einem Jahr in eine Lawine – der Weg zurück aufs Snowboard war hart

München – In die Berge und in den Schnee möchte Celina Weber an diesem Donnerstag – den vierten April. „Das Leben feiern“, sagt sie. Genau ein Jahr ist es her, da war sie sich an diesem Tag für einige Momente „sicher, zu sterben“, wie sie sich im Gespräch mit unserer Zeitung erinnert. Celina Weber fährt Snowboard, gerne im Gelände, auch um dabei Tricks und Sprünge zu zeigen. Und das so gut, dass sie damals die Chance hatte, sich für die Freeride World Tour (FWT) zu qualifizieren, die globale Eliteliga ihres Sports. Doch im Starthäuschen an einem Hang des Schweizer Berges Bec des Rosses kam sie nie an. Eine Lawine riss sie und ihre spanische Freundin und Konkurrentin Nuria Castan Baron mit in die Tiefe.

Über die Wochen nach dem Unfall sagt die 24-Jährige: „Es hat relativ lange gedauert, zu realisieren, dass das mir passiert ist. Es hat sich mehr so angefühlt, als ginge es um jemand anderen.“. Mit drei gebrochenen Wirbeln und einem gebrochenen Kreuzbein war sie für Wochen ans Bett gefesselt – aber immerhin am Leben. Nicht selbstverständlich angesichts eines Absturzes über circa 300 Höhenmeter inmitten von Schneemassen. Während dem sie zwischenzeitlich nicht mehr auf, sondern unter der Lawine war, Schnee in den Mund bekam und an dessen Ende sie zwar im Schnee einzementiert war, ihr Kopf und ihr rechter Arm aber doch wieder über der Schneedecke lagen. Auch Baron, von der zunächst nur die Spitze eines Boards aus dem Schnee ragte, überlebte. Beide wurden von den anderen Teilnehmerinnen und Guides des Events ausgegraben.

Inzwischen steht die Nürnbergerin, die im schweizerischen Lausanne studiert, wieder auf dem Board. Das sie als Sechsjährige im Skiurlaub entdeckte und ihre große Leidenschaft wurde. Dass sie auf dieses Brett wieder steigen wollte, habe sie von Anfang an gewusst. „Ob ich wieder Wettkämpfe fahren wollte, wusste ich nicht sofort. Aber zurück in die Berge, zurück auf das Snowboard auf jeden Fall“, sagt sie.

Zunächst waren es nur ein paar Schritte, bis ihr schwindlig wurde, später kleinere Spaziergänge und dann schweißtreibende Reha-Übungen, um die alte Fitness wiederzuerlangen. Ihr Weg zurück war und ist ein anstrengender. Dass sie ihn mit professioneller Planung angehen kann, liegt an einem Athletenprogramm für Studenten ihrer Uni – ein Verband kümmert sich (noch) nicht um deutsche Freerider. Noch entscheidender als die körperliche Arbeit, ist aber womöglich die mentale. „Wenn man das Gefühl hat, dass man stirbt, ist es keine Seltenheit, ein Trauma davonzutragen.“ Eine Weile habe sie „nur funktioniert“, beschreibt sie ihre emotionale Verfassung nach dem Unfall – „keine positiven Emotionen, keine negativen. Der Körper blendet das aus, da es ihm auf einmal zu viel wäre.“

Dennoch wirkte der Schock weiter, der Kopf blieb im Alarm-Modus, Weber schlief schlecht. Erst durch Psychotherapie habe der Kopf verstanden, in Sicherheit zu sein: „Dass er runterfahren und ruhig werden kann.“ Dass die Verarbeitung funktionierte, merkte sie, als sie wieder in die Berge konnte. Erste kleine Spaziergänge etwa vier Monate nach dem Unfall, dann längere Wanderungen auch im Schnee und am Gletscher, und später dann die ersten Schwünge auf dem Board. „Ich war davor nervös, denn ich wusste nicht, ob etwas bzw. was alles hochkommt“, sagt Weber. Doch die Ungewissheit löste sich in Erleichterung auf: „Es war dann wunderschön. Kaum negative Gefühle. Stattdessen habe ich mich wieder wie ein kleines Kind gefühlt, mit so viel Begeisterung für die banalsten Sachen.“

Der Spaß an ihrem Sport, sie hat ihn wiedergefunden. Und da dieser im Vordergrund sein solle, entschied sie sich gegen eine Wettkampf-Rückkehr schon diesen Winter. Außer in der Rolle als Nachwuchs-Jurorin. Selbst wieder von Felsen springen ginge auch noch nicht. Noch hat sie manchmal Rückenschmerzen nach unruhigen Fahrten oder Schwindel, wenn es im Training zu intensiv wird.

Und dennoch: Die Ergebnislisten des abgelaufenen Winters zeigen, was für Weber in Zukunft noch möglich sein könnte. Die Spanierin Nuria Casta Baron, die weniger Verletzungen aus dem Unfall davontrug, qualifizierte sich für die FWT – und wurde dort dieses Jahr Zweite. Und die Französin Anna Martinez, die einzige andere Fahrerin, die in der Challenger-Wertung 2023 vor Weber lag, wurde hinter Baron Dritte.

THOMAS JENSEN

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