München – Die Stimmung beim FC Bayern ist mal wieder am Tiefpunkt. Nach dem blamablen 0:2 gegen Dortmund besteht nicht nur die Gefahr, die Saisonziele mit einer ähnlich unterirdischen Leistung auch in der Champions League zu verspielen, sondern es stellt sich auch die Frage, wie solche Ausreißer nach unten zu erklären sind. Schließlich ist es ein ähnlicher Kern der Truppe, der seit Jahren immer wieder enttäuscht. Für die Nachfolger-Suche von Thomas Tuchel stellt sich also die Frage: Wer soll dieses Team retten?
Favorit ist derzeit Roberto de Zerbi (44). Der Italiener formte den Premier-League-Club Brighton & Hove Albion zu einer Spitzenmannschaft, die regelmäßig um die europäischen Plätze spielt. Obwohl die Seagulls (deutsch: Möwen) nur eines der geringsten Gehaltsbudgets der Liga zur Verfügung haben, schafft es de Zerbi, mit seiner offensiven Spielidee auch unbekannte Spieler auf ein neues Level zu heben.
Damit passt er nicht nur ins Profil von Christoph Freund und Max Eberl, die die Talente-Förderung weiter in den Fokus rücken wollen, sondern zeigt ebenfalls, dass er auch bei möglichen (gehaltsbedingten) Abgängen wie von Alphonso Davies für kreative Lösungen steht. Seine taktische Ausrichtung im 4-2-3-1, bei dem die Außenverteidiger im Ballbesitz ins Zentrum rücken und so für zusätzliche Dominanz sorgen, passt außerdem hervorragend zum Selbstverständnis des FC Bayern und gilt in der Branche als extrem modern. Kein Wunder also, dass Pep Guardiola den Coach bereits im vergangenen Mai als einen der „einflussreichsten Trainer der letzten 20 Jahre“ bezeichnet hat. Jürgen Klopp sagte zuletzt: „Es ist unglaublich, was er geleistet hat. Ein unglaublicher Job.“ Und: Nach unseren Informationen hat auch Pascal Groß beim DFB den Nationalmannschaftskollegen und Bayern-Spielern vom taktischen Niveau seines Brighton-Trainers vorgeschwärmt.
Das Problem: De Zerbi ist nicht nur von zahlreichen anderen Clubs umworben (Barcelona, Manchester United, Chelsea) und würde rund 14 Mio. Euro an Ablöse kosten, sondern hat bis auf die spielerischen Erfolge kaum etwas vorzuweisen. In Italien holte er einmal den halbprofessionellen Pokal der Serie C (dritte Liga), mit Schachtar Donezk gewann er den ukrainischen Superpokal. Heißt: Sollte es Phasen geben, in denen es nicht läuft, dürfte de Zerbi trotz seines guten Rufs schnell wackeln. Nach dem Chaos der letzten Jahre sehnt man sich aber beim FCB nach einer Autorität.
Ganz anders steht es um Julian Nagelsmann (36). Der Bundestrainer könnte nach der EM zurückkehren, allerdings will ihn auch der DFB langfristig binden. Durch das Interesse beider Seiten hat Nagelsmann jeweils gute Verhandlungspositionen und dürfte nicht billig werden, außerdem würde der Rekordmeister mit einer Rückholaktion ein chaotisches Bild in die Öffentlichkeit senden. Immerhin: Mit Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn sind die zwei Akteure nicht mehr im Amt, die Nagelsmann feuerten. Und durch die Rückendeckung von Uli Hoeneß genießt der Coach ein gutes Standing.
Eine Anstellung von Jose Mourinho (61), wie zuletzt von Didi Hamann gefordert, ist dagegen kein heißes Thema. Selbiges gilt auch für Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick (65) und Zinedine Zidane (51).