Teuflisch gut

von Redaktion

Mallorcas Fußballer hoffen auf den ersten Titel seit 20 Jahren – dank Trainer Aguirre

Barcelona – Es war ein wichtiger, potenziell historischer Moment, der Kreis vor dem Elfmeterschießen im Pokalhalbfinale – und was machte Javier Aguirre? Sagte irgendwas Lustiges und begann eine Schubsorgie, an deren Ende alle Spieler tollten und lachten. Sicher hätten sie dem mexikanischen Trainer von RCD Mallorca die Szene um die Ohren gehauen, wäre der Shootout in San Sebastián dann verloren gegangen. Aber seine aufgelockerten Schützen trafen allesamt, Keeper Dominik Greiff hielt einmal, mit Real Sociedad wurde der nächste Favorit eliminiert, und an diesem Samstag spielt der Tabellen-15. von der Ferieninsel also sein erstes Finale seit einem Cupsieg 2003.

Rund 20 000 Fans machen sich dieser Tage auf die Reise an den Finalort Sevilla. Gegner ist dort Athletic Bilbao, das Barcelona und Atlético Madrid eliminiert hat, in der Liga nur zwei Punkte hinter den Champions-League-Rängen liegt und mithin als Favorit gilt. Allerdings warten die Basken ihrerseits schon seit 40 Jahren auf einen Titel, die Erwartungen ihrer Fanmehrheit sind riesig. Auf mentaler Ebene könnte Mallorca somit im Vorteil sein. Ein Job für den Meisterpsychologen Aguirre, den sie schon zu Spielerzeiten „el vasco“ nannten, „den Basken“, weil seine Eltern aus Dörfern der Provinz Biskaya nach Mexiko auswanderten. Vater, Mutter und Brüder waren glühende Athletic-Fans, „das ganze Haus voll mit Postern“, erinnert sich Aguirre, der seinen drei Söhnen selbst baskische Vornamen gab. Dennoch, kurzer Blick nach oben: „Ich hoffe, dass meine Eltern im Himmel (im Finale, d. Red.) zu uns (Mallorca) halten.“

Aguirre ist 65 Jahre alt und galt nach Stationen als mexikanischer Nationaltrainer (zweimal) sowie bei spanischen Klubs wie Osasuna und Atlético Madrid eigentlich schon als verrentet aus dem Spitzenfußball. Doch im März 2022 wurde er von Mallorca als Feuerwehrmann aktiviert, der Club lag auf einem Abstiegsplatz. Mit Erfahrung und Einfühlungsvermögen einte er die Kabine, schaffte noch den Klassenerhalt, hätte in der folgenden Saison beinahe den Europapokal erreicht und steht nun also im Pokalfinale. „Die Spieler geben mehr als 100 Prozent, sie lassen ihre Seele auf dem Platz, das ist die Identität, die Javier Aguirre ihnen verliehen hat“, sagt Mallorcas CEO Alfonso Díaz.

Mallorcas Stärke ist die kompakte, physisch imposante Abwehr, in der Liga kassierten sie nur 35 Gegentore, nur sechs Teams haben weniger. So unangenehm der Spielstil der „Dimonis“ (Teufel) sein mag, so beliebt ist die Persönlichkeit Aguirre. Seine Pressekonferenzen gelten als Highlights. Nach dem Achtelfinalsieg bei Teneriffa kündigte er beispielsweise an „mit einem Whiskeychen“ ins Bett zu gehen („Lagavulin, acht Jahre, zwei Eiswürfel“).

FLORIAN HAUPT

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