2003 köpfte Noa Künzer die Nationalmannschaft zum WM.Titel, heute ist die 44-Jährige DFB-Sportdirektorin Frauenfußball. © IMAGO
Am Freitag wird beim Fifa-Kongress in Bangkok die Frauen-WM 2027 vergeben. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat Sie für die Bewerbung mit Belgien und den Niederlanden (BNG) kürzlich noch als Botschafterin an Bord geholt: Müssen Sie wieder in letzter Minute ein Golden Goal für Deutschland köpfen?
Wenn es dazu führt, dass wir den Zuschlag erhalten, ist das in Ordnung (lacht). Ich war im Zusammenhang mit der Bewerbung auch unterwegs, unter anderem beim Afrika-Cup in der Elfenbeinküste. Der gesamte DFB mit Bernd Neuendorf an der Spitze versucht, die wirklich sehr gute Bewerbung zu unterstützen. Unsere Generalsekretärin Heike Ullrich hat beispielsweise mit ihrem unfassbaren Netzwerk unermüdlich wirklich gute Lobbyarbeit gemacht. Und als ich gefragt wurde, ob ich als Botschafterin neben Silvia Neid nicht auch unterstützen kann, war das für mich selbstverständlich.
Was können Sie noch tun? Beim Fifa-Kongress stehen nach dem Rückzug von Südafrika sowie der USA und Mexiko nur noch Brasilien und eben die europäische Bewerbung zur Wahl.
Es geht um Überzeugungsarbeit. Ich bin wirklich der Meinung, dass es sich um eine Spitzenbewerbung handelt. Wir haben sehr realistisch dargelegt, dass es die richtige Entscheidung wäre, dass wir mit unseren Partnerverbänden diese WM austragen. Ein Turnier der kurzen Wege, das die Themen Nachhaltigkeit, Faneinbindung und die realistische Einnahmesteigerung für die Entwicklung unseres Sports abdeckt, kann den Frauenfußball in der ganzen Welt auf ein neues Niveau und eine neue Ebene der Begeisterung heben.
Sie haben nicht nur die WM 2003 als Spielerin geprägt, sondern auch bei der WM 2011 in Deutschland als Fernsehexpertin gearbeitet. Die Aufmerksamkeit war riesig, der nachhaltige Effekt ist ausgeblieben. Wäre das jetzt anders?
Die Ausgangslage ist eine andere, weil wir ein Momentum für den Frauen- und Mädchensport haben, eingehend mit einem natürlichen Wachstum und mehr personellen und finanziellen Ressourcen beim DFB, nicht zuletzt aufgrund unserer Strategie FF 27. Die EM 2022 in England war ein Riesenerfolg, das DFB-Pokalfinale in Köln war erneut ausverkauft, am ersten Tag des Vorverkaufs für unser nächstes EM-Qualifikationsspiel in Rostock gegen Polen waren mehr als 10.000 Karten weg. Von einer WM 2027 würden alle nachhaltig profitieren.
Wo steht der deutsche Frauenfußball im Jahr 2024, nachdem die Gegensätze 2023 und 2022 größer kaum hätten sein können? Der Harmonie von der EM in England stand die Zerrissenheit bei der WM in Australien gegenüber, der Vizeeuropameisterschaft das Ausscheiden in der Vorrunde.
Ich sehe uns immer noch bei den Topnationen. Ein Vorrundenaus bei der WM spiegelt nicht unseren Leistungsstand wider. Bei den Olympischen Spielen werden England, Schweden oder die Niederlande fehlen, wir aber sind dabei: Es wird nur schwierige Gegner geben, aber unser Anspruch ist es, sich für die K.o.-Phase zu qualifizieren.
Was hat sich gegenüber ihrer Zeit am meisten geändert: das Spielniveau, die Bezahlung oder die Social-Media-Einflüsse?
Erst einmal die Rahmenbedingungen. Ich war kurz vor dem Pokalfinale beispielsweise auf dem Campus des FC Bayern: Das sind dort schon sehr gute Voraussetzungen. Mit solchen Möglichkeiten können sich die Spielerinnen auch athletisch ganz anders entwickeln. Das trägt zur Verbesserung der Spielqualität bei. Der Fußball kann da gerade auch Vorreiter für viele andere Frauensportarten sein.
Es gibt bald für die DFB-Frauen die EM-Qualifikationsspiele gegen Polen am 31. Mai und 4. Juni, dann die letzten Partien gegen Österreich und Island am 12. und 16. Juli, von wo es direkt zu den Olympischen Spielen geht. Im Optimalfall bestreiten die DFB-Frauen dort sechs Spiele zwischen dem 24. Juli und 10. August, ehe direkt die Saison mit den Vereinen losgeht. Wer denkt sich so einen Unfug aus?
Der internationale Matchkalender ist vorgegeben, aber natürlich für alle herausfordernd. Wir waren mit dem Vereinen im Austausch und haben uns auf einen Sommerfahrplan verständigt, mit dem wir nach bestem Wissen und Gewissen die Spielerinnen be- und entlasten. In der Regel beginnen die Vereine am 1. Juli mit der Sommervorbereitung. Natürlich gilt, was Horst Hrubesch gesagt hat: Was kann jede selbst tun, damit sie optimal vorbereitet zu den Olympischen Spielen fährt.
Hatten Sie die Idee, Christian Wück zum Bundestrainer zu machen?
Ich sitze nicht alleine im stillen Kämmerlein und überlege mir etwas. Für einen Personalfindungsprozess tauscht man sich mit ganz vielen Personen aus, ohne die Karten gleich offen auf den Tisch zu legen. Christian Wück hat mich schon mit der U17 beeindruckt, als ich noch gar nicht beim DFB gearbeitet habe. Viele haben eine internationale Lösung gefordert, aber wir sollten auch die Qualitäten unserer eigenen Trainer und Trainerinnen nicht kleinreden. Christian arbeitet ja in einem Team mit Maren Meinert und Saskia Bartusiak, das die Mannschaft weiterentwickeln und die Verjüngung vorantreiben kann. So sind wir hervorragend aufgestellt.