Der Dauerrivale

von Redaktion

Deutschland trifft im Viertelfinale auf die Schweiz, die auf reichlich NHL-Erfahrung bauen

VON GÜNTER KLEIN

Ostrava – Schweiz oder Tschechien, Prag oder Ostrava, die Kabine räumen oder sie behalten können – das waren die Fragen, die den Dienstagabend der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft bestimmten. Als Dritter der Vorrundengruppe B würden sie auf den Vize von A treffen im Viertelfinale der WM. Dafür wäre normal der Umzug in den anderen Spielort Prag angesagt gewesen. Weil aber Turniergastgeber Tschechien auch als Dritter der Gruppe A weiter die große Arena in Prag (Fassungsvermögen 17.000) bespielen soll, muss die um einen Platz besser positionierte Schweiz nach Ostrava ausweichen.

Und sie ist am Donnerstag (16.20 Uhr/ProSieben und MagentaSport) der Gegner von Deutschland, das somit in der vertraut gewordenen Industriestadt Ostrava bleibt. Sie hat sich eingerichtet in ihrer Umkleide, die Wände mit Parolen bepflastert und den „Sulzomat“ aufgestellt – eine nach Co-Trainer Alex Sulzer benannte Maschine, die Nüsse in eine Art Creme verwandelt. Als Energiespender.

Die Schweiz also, mal wieder. Der Dauerrivale, dem die deutschen Spieler schon im Nachwuchs permanent begegnet sind. Es ist ein ewiges Ringen, in dem zuletzt Deutschland die Führung übernommen hat. Es gewann die Playoff-Duelle bei den WMs 2010, 2021 und 23 (jeweils Viertelfinale), dazu bei Olympia 2018. Die DEL zog im Zuschauerranking erstmals an der National League vorbei, die besser bezahlt und spektakulärere Spieler bekommt.

Allein in der Champions Hockey League verbuchten die Schweizer einen Pluspunkt für sich. Servette Genf gewann den Europapokal und schaltete auf dem Weg dorthin auch den (schwächelnden) deutschen Meister München aus.

Die Eidgenossen hätten Deutschland elegant umgehen können im WM-Viertelfinale 2024. Ein Nicht-Sieg gegen Finnland – und sie wären Dritter geworden und auf die USA getroffen. Trainer Patrick Fischer ließ sich auf ein solches Positionsspiel nicht ein. Mit einem 3:1-Sieg über die Eishockey-Großnation Finnland stärkte er das Selbstvertrauen im Team – und die Deutschen mit lediglich fünf aktuellen NHL-Cracks erscheinen greifbarer als die Amerikaner, die wirklich eine Startruppe am Start haben. Es weht ein „Wenn nicht jetzt, wann dann?“-Geist durch den Schweizer Kader mit neun NHL-Verstärkungen. Die beiden Viertelfinalgegner interessieren sich aufgrund der geschichtlichen, kulturellen und sprachlichen Gemeinsamkeiten extrem füreinander.

In der Delegation des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) wird regelmäßig aufs Schweizer Internetportal Watson.ch und dort auf die Kolumne „Eismeister Zaugg“ geklickt. Der Journalist Klaus Zaugg, seit den 80er-Jahren dabei, schrieb über den Schweizer Topverteidiger Roman Josi, er gleite übers Eis, so wie Jesus einst über Wasser gegangen sei. Auch darum erklärte er die Schweiz zum Favoriten: „Die Schweiz ist nominell erstmals besser – und vieles deutet darauf hin, dass es die Deutschen noch nicht gemerkt haben.“

Wahrscheinlich wissen die aber sehr wohl um die Schweizer Qualitäten. Drei deutsche Nationalspieler (Kahun, Michaelis, Fohrler) standen 2023/24 in der National League unter Vertrag, auch Bundestrainer Harold Kreis coachte schon Schweizer Clubs. Die Klasse von Roman Josi lässt sich aus den Statistiken herauslesen (für die Nashville Predators als Abwehrspieler 88 Scorerpunkte), ebenso die von Stürmer Kevin Fiala (Los Angeles).

Auf deutscher Seite ist man stolz auf JJ Peterka (Buffalo) mit seinen 28 NHL-Toren, Fiala erzielte 29. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Schweiz (17 Vorrundenpunkte) ein noch eindrucksvolleres WM-Turnier spielt als Deutschland (15). Und doch gehen bei den Deutschen die Mundwinkel nach oben. Auch wenn sie nach ihrem die Vorrunde beschließenden 6:3 gegen Frankreich sagten, es sei „egal, wer im Viertelfinale kommt“ (Maxi Kastner), können sie sich ausrechnen, dass die andere Variante – in Prag gegen Tschechien – die schwierigere wäre. „Wir freuen uns auf das Spiel gegen die Schweiz“, sagt Harold Kreis. Jesus Josi kann kommen.

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