Der Traum vom deutschen All-Star-Team

von Redaktion

Was wäre gewesen, wenn man gegen die Schweiz Draisaitl, Stützle und Seider gehabt hätte?

Das Tor, das letztlich zum deutschen WM-Aus führte: Nico Hischier mit dem 2:0 für die Schweizer. © dpa/Peter Schneider

Ostrava – Nicht jede Eishockey-Weltmeisterschaft kann mit einem Blasmusik-Empfang an einem deutschen Flughafen enden. Voriges Jahr war die Heimkehr der Nationalspieler als Silber-Helden zelebriert worden, 2024 erfolgte die Rückreise geschäftsmäßig, als Bewegung von Punkt A nach B ohne Empfänge an den Zielorten. Dier positive Bilanz von fünf Siegen aus acht Partien brachte das Team des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) am Freitag aus Tschechien mit, es war ein gutes, ein zufriedenstellendes Abschneiden, die fünfte Viertelteilnahme in Folge – aber eben kein Triumph. Aus gegen die Schweiz, ein 1:3, „bei dem wir unserem Start hinterherrennen mussten“, wie Kapitän Moritz Müller es beschrieb: Das 0:2, das nach dem ersten Drittel auf dem Scoreboard stand, war nicht mehr aufzuholen.

Der Gedanke lag nahe, das Abschneiden als tendenziell enttäuschend zu bewerten, weil die deutsche Mannschaft gegen die Schweiz sich seit 2010 in insgesamt vier K.o.-Situationen durchgesetzt und ihren Gegner mental erdrückt hatte. Aber am Donnerstag stellte sich heraus, dass die personellen Voraussetzungen beim Dauerkontrahenten diesmal die besseren waren. „Bei denen fehlte nur Tino Meier“, ging der deutsche NHL-Stürmer Nico Sturm die Liste der gegnerischen Nordamerika-Profis durch. „Eine Topmannschaft.“ Hingegen bekam Bundestrainer Harold Kreis nicht alle von drüben, die infrage gekommen wären: Superstar Leon Draisaitl spielt mit den Edmonton Oilers die Playoffs, der auch schon in der Weltklasse anzusiedelnde Tim Stützle (Ottawa) musste wegen einer Schulterverletzung absagen, bei Verteidiger Moritz Seider, Stütze jedes deutschen WM-Teams seit 2019, war der neue Multi-Millionen-Vertrag mit Detroit noch nicht ausgehandelt und unterschrieben, sodass sein Einsatz ein nicht zu verantwortendes Risiko gewesen wäre. „Wenn wir Leon, Mo und Tim in unser Line-Up reinpushen“, sagte Nico Sturm aus San Jose, „dann müssen wir uns vor niemandem verstecken.“ An ein deutsches All-Star-Team wird aber wohl nur bei Olympia 2026 zu denken sein, weil da die NHL offiziell mitspielt.

Kreis: Haben unsere Fortschritte bestätigt“

„Ich sehe das deutsche Eishockey ganz weit vorne“, sagte Bundestrainer Harold Kreis in seiner Bilanz, „doch es hängt auch davon ab, welche Besetzung man zusammenbekommt.“ 2023 stand ihm in der Abwehr mehr Qualität zur Verfügung in Gestalt des felsenartigen Moritz Seider und von Leon Gawanke (damals kurz vor dem Sprung in der NHL, inzwischen in Mannheim), bei dem eine Schulteroperation die WM-Teilnahme verhinderte. Defensiv war die Nationalmannschaft anfälliger, im Angriff bisweilen aber spektakulärer, was 35 Tore in acht Spielen belegten. „Wir haben“, glaubt Kreis, „unsere Fortschritte bestätigt.“

„Zwei Gedanken“ zum WM-Abschneiden formulierte Kapitän und Senior (37) Moritz Müller. „Ich bin enttäuscht, weil man aus der Vergangenheit weiß, was möglich ist. Auf der anderen Seite und auch wenn das wie eine Phrase klingt: Man muss das Viertelfinale erst einmal erreichen.“ Nico Sturm sieht die Mannschaft „in einem Prozess, und der wird noch dauern. Doch wie haben gelernt, mit der größeren Verantwortung, den höheren Erwartungen und der Favoritenrolle in gewissen Spielen umzugehen.“

Sturm selbst fand durch die Zeit mit der Nationalmannschaft „die Lust am Eishockey wieder“. Seine San Jose Sharks hatten eine ganz schwere Saison in der NHL, das schlug auch bei ihm aufs Gemüt. „Hier hatte ich mehr Wins als in den vergangenen sieben Monaten. Dass man nach den Spielen zusammen lacht, das habe ich vermisst.“ Im DEB-Team bekam er diese Erlebnisse. Und vielleicht wird in der kommenden Saison der ehemalige Bundestrainer Marco Sturm sein Coach bei San Jose in der NHL. „Ich würde mich freuen. Er hat hier in Deutschland vor meiner Zeit viel dazu beigetragen, dass wir nun stehen, wo wir stehen.“

Harold Kreis ist der zweite Bundestrainer nach Marco Sturm, auch seine Bilanz ist mit einmal WM-Silber und einem Viertelfinale sehr gut. Für ihn ist die Saison noch nicht ganz um. „Am Dienstag haben wir Bundestrainer-Konferenz, da arbeiten wir die WM auf.“ Bis dahin steckt der 65-Jährige im Tunnel. „Meine Frau hat, glaube ich, einen Urlaub gebucht – und da werde ich wohl dabei sein.“ GÜNTER KLEIN

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