ZUM TAGE

Kleinigkeiten – oder mehr?

von Redaktion

Bilanz der Eishockey-WM

Das Eishockey ist ein Sport, der seine Akteure kulturell zusammenbringt. In Deutschland spielen viele Nordamerikaner, sie lernen sich als erstes deutsches Wort eines abseits des Danke- und Bitte-Kanons an, nämlich: „Kleinigkeiten“. In Interview-Statements zu Spielen sagen sie oft: „What‘s missing are the Kleinigkeiten.“ Umgekehrt führt die Kabinen-Amtssprache Englisch auch die einheimischen Spieler an neue Horizonte heran. Nationalmannschafts-Kapitän Moritz Müller legte nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM dar, die „Momentum Swings“ seien gegen ihn und die Seinen gewesen.

Jedenfalls ist die Weltmeisterschaft 2024 vorbei, zwei Spiele eher, als es das Turnier von 2023 war – und nun muss man beurteilen, ob es an besagten Kleinigkeiten und Momentum Swings lag, dass die deutsche Mannschaft diesmal nicht noch ins Halbfinale und ein damit verbundenes Spiel um eine Medaille hat vordringen können.

Eine 1:3-Niederlage mit einem individuellen Missgeschick wie zum 0:1 und einem Gegentreffer ins leere Netz, wenn man am Schluss anrennt, ist auf dem Papier knapp. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die deutsche Mannschaft, die den gewiss nicht schwachen Teams aus Lettland und Kasachstan je acht und der Slowakei sechs Tore einschenkte, in den ersten beiden Viertelfinal-Dritteln nur je fünf Schüsse zustande brachte. Das ist underperformt. Die Schweiz war einfach besser – auch aufgrund ihrer Besetzung. Das Nachbarland konnte seine fast komplette NHL-Profigarde aufbieten und war auf dieser Seite schlicht noch renommierter als das deutsche Team mit seinen Top-Talenten Peterka und Reichel sowie dem Arbeitstier Nico Sturm. Bundestrainer Harold Kreis hat es sich zum Grundsatz gemacht, nur über die Spieler zu reden, die da sind, nicht über die, die fehlen – doch in der Analyse ist das eben ein wichtiger Punkt: Moritz Seider als Fixgröße in der Abwehr, bei allen WMs seit 2019 im Team gewesen, und Stürmer Tim Stützle, der sich in Sachen Nationalmannschaft leider ein wenig ziert, hätten mehr Klasse gebracht. Die Niederlagen gegen USA und Schweden (je 1:6) wären wohl nicht so krass ausgefallen. Doch ob jemand letztlich zur Verfügung steht im Mai, das ist auch eine Problematik, die die anderen Nationen betrifft – und es hängt oft an Kleinigkeiten wie Vertragsklauseln, Einfluss von Agenten und Clubs, an unbeeinflussbaren Faktoren wie dem Verlauf der NHL-Playoffs.

Festzuhalten aber bleibt auch: Die Mannschaft, die für Deutschland in Ostrava auf dem Eis stand, hat Spaß gemacht. Fast wie die von Tampere im Vorjahr. Wie sie ihre Spiele angeht, wie sie ihre Sportart repräsentiert und zu welcher Konstanz sie gefunden hat, wie die jungen Cracks mit dem väterlichen Bundestrainer Harold Kreis interagieren, das ist ein Glück für das deutsche Eishockey. Seine Wertigkeit ist gestiegen, die Wichtigkeit des Nationalteams als Repräsentant allseitig anerkannt – und das kann kein böser Momentum Swing umstoßen.

Guenter.Klein@ovb.net

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