Erlöst: Tschechien hatte seit 2010 auf den 13. Weltmeisterschafts-Titel warten müssen. © dpa/Petr David Josek
Prag – Mit der geografischen Zuordnung ihres letzten Gegners hatten die Tschechen Probleme. Bei einer Eishockey-WM ist es üblich, für jede Nation landestypische Musik einzuspielen – und für die Schweiz wurden die „Lustigen Holzhackerbuam“ sowie der „Anton aus Tirol“ ausgewählt. Dass die Eidgenossen keine Bayern und keine Österreicher sind – vielleicht dringt es zum nächsten WM-Ausrichter, Schweden/Dänemark als Veranstalter-Duo, durch.
Fast wären die Schweizer zum ersten Mal Weltmeister geworden. Ihr Pech war es, im Finale am Sonntag nicht nur gegen das andere Team, sondern auch die komplette Halle anspielen zu müssen. Für Tschechien ging der Plan auf: Gegen Ende der Vorrunde wurde der durch das Playoff-Aus der Boston Bruins in der NHL verfügbar gewordene Superstar David „Pasta“ Pastrnak eingeflogen, er wirkte ausgelaugt in seinen drei Auftritten vor dem Finale, schoss im Endspiel aber das späte 1:0 (50. Minute). Endstand: 2:0 – und Tschechien war nach 2010 mal wieder die stolzeste Eishockey-Nation der Welt. Nach langer Entbehrung von 14 Jahren (letztes Gold 2010 in Köln) und einem Absinken in der Weltrangliste hinter Deutschland der 13. WM-Titel und das internationale Comeback.
Einer aus der 2010er-Mannschaft war noch übrig, und weil er jetzt der Kapitän der Nationalmannschaft ist, nahm er den Pokal entgegen: Roman Cervenka. Der Stürmer ist 38, die NHL und er haben es eine halbe Saison lang versucht (Calgary, 2012/13) und sind miteinander nicht warm geworden. Cervenka spielt seit neun Jahren in der Schweiz, die Rapperswil-Jona Lakers sind sein Verein geworden. Das WM-Finale fühlte sich für ihn ein bisschen wie Liga-Alltag an.
Zusammen mit Torhüter Lukas Dostal wurde Cervenka ins All-Star-Team der WM gewählt. Als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde Kevin Fiala. Auch er ging mit einer speziellen Geschichte ins Finale: Seine Großeltern sind Tschechen, doch er wurde in der Schweiz geboren. Die vergangenen Wochen waren für den 28-Jährigen fordernd: Playoff-Aus mit den Los Angeles Kings, die „Schwyzer Nati“ wartete schon sehnlichst auf ihn – doch Fiala kam erst zum dritten WM-Spiel, weil er Vater einer Tochter wurde. Er fühlte sich durchgeschüttelt „wie in der Achterbahn“.
Die Schweiz schrieb eigentlich die noch interessanteren Geschichten als der neue Weltmeister Tschechien. Die Schweiz hatte Andres Ambühl (40) aus Davos mit seiner 19. WM-Teilnahme und den 36-jährigen Torhüter Leo Genoni vom EV Zug, der im Halbfinale Kanada stoppte und sagte: „Ich mag es, wie sie schießen.“ Roman Josi, Schweizer Starverteidiger in der NHL, nennt es „unverständlich dass Leo nicht in der NHL spielt“. Manchmal ist die Schweiz eben immer noch ein unbekanntes Land. Das mit den Bergen halt. Tirol? GÜNTER KLEIN