Meine Vorfreude auf die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ist groß.
Nein, nicht wegen der 51 Spiele im aufgeblähten 24-Teilnehmer-System, von denen die Hälfte vermutlich eh langweilig ist. Sondern wegen der neuen „Motz-Regel“. Nach dem Vorbild anderer Sportarten dürfen beim Turnier nur noch die Kapitäne beim Schiedsrichter vorstellig werden. Will meinen: Kein Gemaule und kein Karten-Fordern beim Unparteiischen, sonst folgt die Strafe auf dem Fuß.
Die Ansage – „Kein Wort zum Schiedsrichter“ – kennt vermutlich jeder Amateurkicker. Nur die Umsetzung funktioniert in der Praxis selten bis nie. Und so dürfte es auch den Profis mit den großen Egos schwerfallen, sich im Zaum zu halten, wenn sie sich doch sehr im Unrecht sehen. Was wiederum zu lustigen Situationen führen könnte. Sobald der Mund aufgeht, hagelt es Gelb. Beim nächsten Mal: Gelb-Rot. Ein Mittelmaß zu finden, wird in den ersten Spielen wohl für alle Beteiligten das Ziel sein, sonst bestreiten die letzte halbe Stunde nur noch 17 oder 18 der eigentlich 22 Spieler auf dem Platz.
Der Ansatz ist jedenfalls in höchstem Maße zu loben. Schließlich gibt es nirgendwo so viel Geplärre in Richtung der Regelhüter wie im Fußball. Klar, auch im Handball, Basketball oder Eishockey geht es in den Zweikämpfen physisch und verbal mitunter derbe zur Sache, aber der Respekt gegenüber den Unparteiischen ist wesentlich höher. Die Spitze des Höflichkeits-Eisbergs bilden mit Sicherheit die Rugby-Spieler. Wie ehrfürchtig so mancher Muskel-Koloss vor den deutlich kleineren und schmächtigeren Schiris steht und lauscht – das hat was.
Und wenn der Fußball schon eine neue Benimm-Regel einführt, dann könnte man das durchaus ausweiten. Das Herumwälzen nach 08/15-Fouls ist beispielsweise beschämend. Oder die Sperenzien, die Real Madrids Vinicius Junior im Finale und auch schon im Halbfinale gegen Bayern (Stichwort: Einwurf Kimmich) vollführte, gehören bestraft. Gerne auch im Nachgang.
Damit Sie mich nicht falsch verstehen, ich bin keineswegs dafür, alle Emotionen zu verbannen, denn davon lebt der Fußball und der Sport generell. Aber statt immer so viel zu schimpfen, macht die Freude über eine gelungene Aktion – sei es defensiv oder offensiv – doch viel mehr Spaß. Deshalb: Lasst die Spiele beginnen!