Beschweren verboten: Bei der EURO gelten harte Regeln. © Imago (2)
Herzogenaurach – Als Julian Nagelsmann mit seiner Mannschaft am Samstagabend das Finale der Champions League verfolgte, fiel es ihm auf: „Die neue Regel wurde angewendet.“ Er hatte von ihr im April in Düsseldorf auf dem Workshop für die bei der Europameisterschaft vertretenen 24 Nationaltrainer erfahren. Die Schiedsrichter werden beim Turnier, das in eineinhalb Wochen losgeht, mit den Teams einen anderen Umgang führen. Sie werden Entscheidungen erklären und diskutieren. Allerdings: Sie werden es nur mit den Kapitänen tun – und im Fall, dass in einer Mannschaft der Torwart der Spielführer sein sollte, mit einem zu bestimmenden Feldspieler. Alle anderen Akteure sollen, wie das in anderen Sportarten längst üblich ist, Distanz halten. Rücken sie den Schiedsrichtern auf die Pelle, wird das sanktioniert.
UEFA-Schiedsrichter-Chef Roberto Rossetti hat ausgerechnet, dass ein Referee alle 22 Sekunden eine Entscheidung trifft, „manche davon betreffen heikle und umstrittene Situationen und müssen unter enormem Druck getroffen werden“. Man hat vor Augen, was in der Betroffenheit drüber geschieht: Spieler bestürmen den Unparteiischen, brüllen ihn an, schaffen eine Druckkulisse, manche formen mit den Händen einen Bildschirm, als seien sie diejenigen, die den Einsatz des Videoassistenten bestimmen. Es sind keine schönen Bilder, und die ständigen Interventionen verkürzen die effektive Spielzeit. „Wenn wir von 53 auf 70 Minuten kommen würden, wäre das gut, denn wir wollen alle mehr Fußball sehen“, sagt Julian Nagelsmann. Er befürwortet die neue Linie.
Er hat halt noch Bedenken: Viele Spieler, die lange dabei sind, haben die Gewohnheit entwickelt, beim Schiedsrichter vorstellig zu werden – es muss erst in die Köpfe und die Abläufe rein, dass das bei der EM verboten sein wird. „Die Umgewöhnungszeit ist kurz. Doch die Mannschaften erhalten noch eine Schulung“, weiß er. Nagelsmann selbst wird sich ebenfalls mäßigen müssen. „Ich bin einer, der zu viel labert“, gesteht er. Das liege daran, „dass ich den Faktor der körperlichen Verausgabung nicht so habe wie die Spieler“. Hüten will er sich vor „Gelben Karten und Sperren, denn die werden unfassbar teuer für uns Trainer. Also werde ich schon aus monetären Gründen versuchen, mich zurückzuhalten.“
Mittelfeldmann Pascal Groß glaubt, die Spieler würden die Umstellung hinbekommen. Für das resolute Vorsprechen beim Schiri sei er „selbst ein Kandidat, aber ich finde die Neuerung gut. Ich bin ein Freund davon, dass sie auch konsequent umgesetzt wird und für alle gleich ist.“ GÜNTER KLEIN