Viel Willen, aber keine Lösung

von Redaktion

Deutsche Mannschaft kann ihre Überlegenheit nicht in Tore umsetzen

Fester Zugriff: Manuel Neuer in seinem ersten Länderspiel seit der WM in Katar. © dpa

Viele gute Aktionen, keine war drin: An Keeper Trubinbiss sich das DFB-Team die Zähne aus. © IMAGO/VITALII KLIUIEV

Nürnberg – Das Transparent, das im Max-Morlock-Stadion aufgespannt wurde, war so breit wie das Spielfeld lang, und in schwarz-rot-goldenen Lettern stand darauf: „Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein“ – die gute alte Sportfreunde-Stiller-Liedzeile von 2006. Der Deutsche Fußball-Bund will‘s wissen: Kann die Nationalmannschaft 2024 die Sommermärchen-Stimmung von damals wieder aufleben lassen? Eindruck aus dem ersten Test direkt vor der EM: Die Fans sind in Partylaune, die Mannschaft ist gewillt – doch sie tut sich schwer, Lösungen zu finden. Gegen die Ukraine gab es nur ein 0:0.

„Wir hätten ein Tor verdient gehabt, aber manchmal gibt es so Tage“, sagte Thomas Müller. Ähnlich sah es Manuel Neuer: „Leider haben wir uns nicht belohnt, aber ich bin mir sicher, dass es in der Gruppenphase anders aussieht.“ Die Hoffnung ist nach dem Auftritt da, obwohl die Tore ausblieben. Müller: „Es war ordentlich, auch wenn nicht gewinnen nicht so toll ist.“

Demonstratives Gruppenfoto mit den Ukrainern, Gedenken für den kürzlich verstorbenen 1974er-Weltmeister Bernd Hölzenbein, Solidaritätsadresse an die Hochwasseropfer – es ging mit viel Pathos in die Partie. Bundetrainer Julian Nagelsmann konnte neun Elftel seiner Wunschaufstellung auf den Platz bringen, die Champions-League-Sieger Toni Kroos und Antonio Rüdiger wurden positionsgetreu von Pascal Groß und Waldemar Anton ersetzt. Und: Neuer war zurück im Tor, sein erstes Länderspiel seit der WM 2022. Die Deutschen entwickelten mit der ersten Aktion Dominanz, bemerkten aber auch flugs, dass sie ihr Mittelfeld besser absichern mussten, weil die Ukraine zwar mit fünf Verteidigern tief stand, aber rasend schnell umschaltete und bevorzugt Mykhailo Mudryk auf den Weg schickte.

Doch die Chancen hatte zunächst Nagelsmanns Mannschaft: Gündogan missglückte allerdings ein Kopfballversuch wenige Meter vor dem Tor (15.), Groß schoss nach Vorlage von Musiala drüber (29.). Robert Andrich drosch einen von Jamal Musiala herausgeholten Freistoß in die Ränge (32.). Musiala hatte seine torgefährlichen Momente, asl er mit Florian Wirtz zockte (42., 43.). In der 38. Minute gab es allerdings auch auf der anderen Seite Action: Manuel Neuer war erstmals gefordert, nachdem Groß und Tah unter Druck den Ball verloren hatten.

Mit Wirtz und Gündogan nahm Nagelsmann zwei zentrale Spieler nach 45 Minuten herunter. Er hatte angekündigt, die Belastung in dieser Phase schon noch ein bisschen verteilen zu wollen. Es kamen die Stuttgarter Chris Führich und Deniz Undav, sodass Bundesliga-Vizemeister auf einmal Bayern-like mit einem Viererblock vertreten war. Das Schwungrad des DFB-Spiels wurde nun über die linke Seite und die eingespielten Führich/Mittelstädt. Undav ließ einen vielversprechenden Schuss los – der aber geblockt wurde (56.).

Erstmals mitwirken durfte Maximilian Beier, der bis zur 59. Minute bei null Länderspielen gestanden hatte. In der 61. knallte er den Ball an die Unterkante der Latte, in der 63. Minute folgte der nächste Schuss. Das Hallo des Hoffenheimers. Mit dem letzten Wechsel, dem sechsten, wurde der Jugendstil noch forciert: Aleksandar Pavlovic vom FC Bayern stellte sich vor.

Obwohl die Mannschaft nun wirklich durcheinander gewirbelt war, blieb sie in der Struktur, sie hatte ihren Gegner bis auf die Schlussphase im Griff. Aber der Anspruch ist ja ein höherer: Man will gewinnen. Weil man das am 14. Juni zum EM-Auftakt gegen Schottland ja auch irgendwie hinkriegen muss. Thomas Müller wurde in der 72. Minute zu Fall gebracht – für einen Elfmeter aber zu wenig. Die Deutschen suchten jede Gelegenheit zum Abschluss wahrzunehmen – doch die Ukraine hatte in Anatoly Trubin einen guten Torwart. Und auf einen heißlaufenden Goalie kann man auch bei der EM treffen. Man weiß nun Bescheid. GÜNTER KLEIN

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