Familien-Fanclub: Lukas Reich mit Papa Andi, Mama Anna, Schwester Amelie und Opa Sigi. © Stefan Matzke / Sampics
Aufmerksamer Zuhörer: Initiator Armin Schalk (l.). © Sampics
Anekdotenreicher Abend in Aying: Lukas Reich und Hansi Reich mit Sportredakteur Uli Kellner. © Stefan Matzke / Sampics
Nicht verwandt, aber Brüder im Geiste: 1860-Talent Lukas Reich und Meisterlöwe Hansi Reich, beide verbindet das Verteidiger- und Kämpfer-Gen. © Stefan Matzke / Sampics
Aying – Ein Griff in die Tasche – schon verwandelt sich der hintere Eckplatz im Ayinger Bräustüberl in eine Löwengrube. Armin Schalk (57) stellt einen antiken Sechzger-Wimpel auf den Tisch, den er in seinem Keller aufgestöbert hat. „Der ist mindestens 20 Jahre alt“, sagt der Löwen-Fan aus Reithofen bei Pastetten, der dieses Treffen organisiert hat – ein Generationen-Treffen der besonderen Art.
Rechts vom Wimpel nimmt Hansi Reich (81) Platz, der Meisterlöwe. Neben ihm: Lukas Reich (17), der Junglöwe, der gerade seine ersten vier Drittligaspiele absolviert. Weder sind die Reichs miteinander verwandt, noch kannten sie sich vor diesem Donnerstagabend Ende Mai. Schalk wandte sich an unsere Zeitung, weil auf einer Fahrt nach Giesing die Rede auf den berühmten Namensvetter seiner Reithofener 1860-Freunde kam. Ob man da einen Kontakt herstellen könne. Nur Opa Sigi Reich (78), der auch mit am Tisch sitzt, hat Reich in den glorreichen 60er-Jahren spielen sehen, der Rest der Reich-Bande ist Team Lukas. Schalk sagt: „Bis er bei den Profis gebraucht wurde, stand er selber mit uns in der Kurve. Block J. Wir dachten, dass es cool wäre, wenn sich die Reichs mal kennenlernen.“ Frei nach dem Motto: Reich und Reich gesellt sich gern.
Das ist durchaus wörtlich gemeint, denn noch ehe das erste Weißbier vor Hansi steht (Lukas: Apfelsaft), gerät der Meisterlöwe ins Plaudern. Anekdoten von früher – und Lästereien über den trostlosen Zustand der aktuellen Mannschaft. Normal ist Hansi Reich bei jedem Heimspiel im Stadion. Eine Hüftoperation hat ihn seit Januar daran gehindert. „Daher hab ich nur in der Zeitung gelesen, dass jetzt wieder ein Reich für 1860 spielt“, sagt der 81-Jährige und lacht. Ernst fährt er fort: „Das hat jetzt nix mit eam zu tun“, deutet er auf Lukas Reich, „aber zuletzt hab ich die Spiele auch kaum mehr im Fernsehen angeschaut. Höchstens zehn Minuten – länger ist es schwer zu ertragen. Manchmal ist das Niveau schon schlimm, muss ich ganz ehrlich sagen.“
Lukas grinst, als Hansi vom Leder zieht und den Bogen spannt zu früher. Die Meistersaison, den Trainerkauz Max Merkel („der Horror für junge Spieler“), das Europacupfinale in Wembley – kannte er bisher alles nur aus den Erzählungen von Opa Sigi. Und trotzdem: In vielen Punkten, das wird schnell deutlich, sind der Junglöwe und der Altlöwe Brüder im Geiste, nicht nur wegen der Position auf dem Spielfeld als verbindendes Element. Zwei Verteidiger, die technisch beschlagen sind und vor allem dafür bekannt, in jedem Spiel alles auf dem Platz zu lassen, wie das im modernen Kommentatorendeutsch heißt. „Im Zweikampf musst du einfach hingehen. Ich hab ja gegen einen Haufen Leute gespielt, gegen Pele, Müller, Emmerich. Was meinst du, was der Emmerich für eine Drecksau war! Da musst du bei der Ballannahme sofort dran sein, sonst siehst du alt aus.“ Lukas nickt. Er kommentiert es auch, darf aber nicht zitiert werden. Welpenschutz-Auflage vom Verein, um junge Spieler vor unbedachten Aussagen zu schützen.
Bei Lukas Reich ist diese Sorge unbegründet. Ein Vorbild auf dem Platz, meist war er der Beste seines Jahrgangs, nicht selten auch der Kapitän. Im Gymnasium, das er fußballbedingt selten besucht, kommt er bestens mit. Aktuell ist Lukas in der 11. Klasse und bereitet sich auf die Oberstufe vor. Auch beim DFB (U 19) und bei 1860 steht die Versetzung bevor. Nächste Saison ist Lukas Reich fest für den Profikader eingeplant. Die Familie, alle vom Fach (auch Mama Anna und die neunjährige Schwester Amelie spielen Fußball), unterstützt ihn auf seinem Weg zum Profi, Fahrdienst inklusive. Hansi Reich merkt schnell, dass Lukas genauso geerdet ist, wie er es war Schustersohn aus Untergiesing. „Wichtig ist, dass du immer am Boden bleibst“, predigt Reich: „Und du musst immer gewinnen wollen, im Training, beim Gaudikick auf der Wiese, wenn 80.000 im Stadion. Wie beim Schafkopfen: Wenn du da die Karten nur halbherzig auf den Tisch legst, kannst gleich daheim bleiben.“
Schon als der Schweinsbraten serviert wird, haben Reich und Reich 60 Jahre Löwen-Geschichte im Schnelldurchlauf besprochen. Der Abend ist auch noch lange nicht zu Ende, als die mediale Begleitung endet. „Bis 22 Uhr sind wir noch gesessen“, berichtet Armin Schalk im Nachgang: „Wahnsinn, welche Details zu Aufstellungen und Platzverhältnissen der Hansi und Opa Sigi noch hatten. Wir haben uns so verabredet, dass der Hansi den Lukas mal spielen sehen möchte.“ Demnächst, wenn die Hüfte wieder mitspielt, wenn Lukas aus dem Südtirol-Urlaub zurück ist – und wenn die Löwen in eine Saison starten, die nur besser werden kann. Hansi Reich sagt: „Ich find’s gut, dass bei Sechzig wieder auf junge Spieler gesetzt wird. Man sieht ja an den Bayern, dass es nix bringt, wenn du Stars mit Millionen zuschüttest.“ Lukas grinst. Er hat nicht nur eine Vereinslegende seiner Löwen kennengelernt, sondern ab sofort auch einen Mentor, der seinen Namen trägt.