Von null auf Joker

von Redaktion

Der Hoffenheimer Maximilian Beier hat seine EM-Nominierung wahrscheinlicher gemacht

Entschlossenheit im Blick: Debütant Maximilian Beier war das belebende Element im Ukraine-Spiel.. © Stefan Matzke / sampics

Nürnberg – Unerkannt durch die Fußgängerzone einer deutschen Großstadt flanieren – Maximilian Beier könnte das wohl. Unter den aktuellen Fußball-Nationalspielern ist er der unscheinbarste. Sein Gesicht haben noch nicht Millionen in Großaufnahme gesehen, er ist 21, er spielt für die TSG Hoffenheim, deren Partien in der Sportschau immer am Anfang kommen, wenn noch nicht alle eingeschaltet haben. Aber mit der Popularität kann es auch schnell gehen, ein Turnier und seine Dynamik haben schon öfter aus Durchschnittstypen Marken gemacht, Und vielleicht ist dieser freundlich-schüchterne Typ einer, dem der Sommer gehören wird.

Selten geht aus einem 0:0-Spiel ein Stürmer als Star des Abends hervor, aber bei Maximilian Beier war es am Montagabend in Nürnberg so. Er kam in der 59. Minute rein, es war sein Länderspieldebüt, zwei Minuten später entwand er sich einer anbahnenden Abseitsstellung, ließ sich zurückfallen, startete nochmals durch und jagte den Ball an die Latte. Kurz darauf der zweite gute Torschuss, und im weiteren Verlauf kam noch ein hochwertiger Kopfball dazu. Kein Treffer zwar, aber eine Fülle belebender Aktionen, die Einfluss auf die finale EM-Nominierung haben dürften. Einen Mann zu viel hat Julian Nagelsmann im Kader, einen Namen also muss er bis Meldeschluss am Freitag noch von der Liste nehmen. „Diejenigen, die Wackelkandidaten sind, wissen Bescheid“, hatte der Bundestrainer schon bei der Präsentation des vorläufigen Aufgebots gesagt. Nun bestätigte er, dass Beier zu besagter Gruppe gehört, die sich beweisen muss: „Er hat es wahrscheinlicher gemacht, dabei zu sein.“ Nagelsmann sagt, sein Trainerteam und er steckten „ständig die Köpfe zusammen“ und debattierten die Personalien. Er seufzt: „Stand heute hat es keiner verdient, nach Hause geschickt zu werden. Es wird einen treffen, der es nicht verdient hat.“

„Ich muss es nicht entscheiden“, sagt Maximilian Beier und gönnt sich ein Lächeln. Es liegt eine wunderbare Saison hinter ihm. In Hoffenheim ist er schon länger, vor sechs Jahren holte ihn die TSG aus Cottbus in den Kraichgau, die Jugendarbeit dort gilt als eine der besten in Deutschland. 2021 entschloss man sich zu einer Leihe nach Hannover, in die 2. Liga, die Gebühr hatte fast schon symbolischen Charakter: 50000 Euro. In dem einen Jahr Bundesliga seit Baiers Rückkehr ist der Marktwert von zwei auf 30 Millionen hochgeschnellt, 16 Tore haben dazu beigetragen. Jetzt ist fraglich, ob Hoffenheim noch lange was haben wird von ihm. Der Vertrag, im Oktober 2023 abgeschlossen und gültig bis 2027, ist die übliche Ausstiegsklausel enthalten. „Ich bin mit meinem Berater im Gespräch“, sagt Beier.

Seine Nominierung in den 27er-Kader war eine leichte Überraschung, kein Influencer hatte sie vorab verkündet. Beier war zwar schon im März dabei, da aber mit der Eingewöhnung beschäftigt. Sein Vereinskamerad Olli Baumann habe ihn „an die Hand genommen, ich musste mir aber erst mal all die Namen im Staff einprägen. Es war intensiv, vieles war neu und spannend“. In den gut zwei Monaten seitdem hat Nagelsmann bei Beier eine Veränderung festgestellt: „Er hat mehr Selbstbewusstsein, und er hat besser trainiert, ist besser reingekommen.“

Übers Training kann Maximilian Beier sich für die endgültige EM-Nominierung empfehlen. Aber ein Gespräch über seine grundsätzliche Rolle hat bereits stattgefunden. Beier über die Aufgabe, die der Bundestrainer für ihn vorgesehen hat: „Joker. Wenn ich reinkomme, soll ich Alarm machen.“

GÜNTER KLEIN

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