Mittendrin statt nur dabei: Turnierdirektor Lahm mit Volunteers. Er will die EURO „genießen“. © IMAGO
München – Sich mit Franz Beckenbauer vergleichen? Nein! Das möchte Philipp Lahm unter keinen Umständen. „Die Fußstapfen sind einfach unglaublich groß“, sagte der Turnierdirektor der EURO am Dienstag. Und trotzdem erinnerten die Worte des 40-Jährigen drei Tage vor dem Eröffnungsspiel des Heimturniers an einen berühmten Satz des „Kaisers“. Zwar zitierte Lahm Beckenbauer nicht wortwörtlich, aber er ließ einen Einblick in seine Gedankenwelt fast sechs Jahre nach der Vergabe dieser Europameisterschaft zu. Das Zitat „jetzt wird es Zeit, dass dieser Ball rollt“ kann frei übersetzt werden in: „Gehts naus und spuits Fußball.“
Das Stichwort „Spielen“ passte zum internationalen und von der UN anerkannten „Weltspieltag“ gestern, an dem Lahm die Kooperation seiner Stiftung mit LEGO bekanntgab. Und es passte freilich zu all dem, was in Deutschland ab Freitag und bis zum Finaltag am 14. Juli erwartet wird. Bei Lahm ist die „Vorfreude riesengroß“, er spürt aber eine andere „Verantwortung“ als zu Spielerzeiten. Er versicherte: „Rundum passt alles. Wir haben als Organisation die Grundvoraussetzungen geschaffen.“ Jetzt aber brauche es „eine Mannschaft, die begeistert, die begeisternd Fußball spielt, die als Mannschaft auftritt“. Dann ist Lahm „sehr zuversichtlich, dass wir alle bereit sind, gemeinsam ein großes Fest zu feiern.“
Er selbst will die EURO aufsaugen, in allen zehn Spielorten und mit Blick auf „so viele Mannschaften wie möglich“. Anders als Beckenbauer 2006 wird er nicht mit dem Helikopter unterwegs sein (“Turniere verändern sich, Zeiten verändern sich“), sondern mit der Bahn. Und Lahm möchte auch nicht nur eine Halbzeit pro Spiel sehen, sondern „auch ein bisschen die Atmosphäre genießen“. Lahm will nahbar sein, mittendrin statt nur dabei. Ein Turnierdirektor zum Anfassen.
Wie sehr ihm das Spielen auf und neben dem Platz noch Spaß bereitet, konnte man am Dienstag sehen. In 60 Sekunden baute er aus sechs LEGO-Bausteinen eine Ente zusammen – bei der EURO ist zum Zuschauen verdammt. Sein Favorit? Frankreich, „die haben den talentiertesten Kader“, aber Lahm hofft „auf eine Überraschung wie Island 2016“. Ansonsten werden es die „Top-Nationen unter sich ausmachen“. Deutschland ist in dieser Prognose inkludiert.
Vielleicht ist das DFB-Team kein Topfavorit, aber das war man beim Sommermärchen 2006 auch nicht. Lahm erinnert sich gerne daran, wie sehr das damalige Team von Jürgen Klinsmann von den Fans getragen wurde. „Diese Euphorie, diese Begeisterung hat der Mannschaft sehr viel Energie gegeben. Und dadurch ist man dann eben auch so weit gekommen“. Es braucht starke Spiele, gleich zu Beginn – und es braucht keine Torwartdiskussion. Lahm beruhigt die Nation mit Blick auf Manuel Neuers schwankende Leistungen: „Ich vertraue auf seine Erfahrung und seine Klasse. Er wird am Freitag wieder der Rückhalt sein, der er die letzten Jahre, ja fast schon Jahrzehnte für die deutsche Nationalmannschaft war.“ Punkt.
Ein paar Tore vorne, keine hinten – dann ist die Begeisterung schnell wieder da, glaubt Lahm. Und er hofft, dass es in Fanzones, Städten, Stadien und Wohnzimmern „Begegnungen gibt, die verbinden und den Zusammenhalt schüren“. Dann wäre da nur noch die Sache mit dem Wetter. „So wie heute braucht es nicht sein“, sagte Lahm am Dienstag, bei 13 Grad und im Pullover. Ab jetzt bitte T-Shirt- oder Trikottemperaturen. Und dann, bittschön, geht‘s jetzt naus und spuits Fußball! HANNA RAIF