TAGEBUCH

Auf dem Markt mit Emre Cans Schwiegermutter

von Redaktion

Eine EM im eigenen Land gibt dem Berichterstatter die Möglichkeit, lieb gewordene wohnsitznahe Gewohnheiten auch im Stress des Turniers aufrechtzuerhalten. Für mich ist es der samstägliche Besuch des Obst- und Gemüsestands auf dem Wochenmarkt meines Vertrauens. Der Junior der griechischstämmigen Familie erkannte einst an einem Sonntag im Doppelpass den Typen wieder, der ihm verlässlich Merinda-Tomaten, Spitzkohl und Erdbeeren fast ganzjährig abnahm. Seitdem richtet er es ein, dass immer er mich bedient. Wir sprechen dann die Fußballwoche durch. Man muss wissen: Er ist Mitglied beim FC Bayern, diese Saison hat ihm zugesetzt.

„Ich nehme einen Brokkoli, einen Bund Radieschen ohne Grün…“ – „Wer wird jetzt unser Trainer? Ich bin für ein Jahr Hermann Gerland, 2025 dann Kloppo.“ – „Einen länglichen Radiccio, drei rote Paprika.“ – „Den Davies tät‘ ich gehen lassen. Was will der? 17 Millionen?“ – „Sind die Clementinen süßlich?“ – „Säuerlich. Magsch probieren? Ruf mal deinen Freund Uli am Tegeernsee an, dass er sich zurücknehmen soll.“ So geht das immer zwischen uns. Ein Buch über Uli Hoeneß, an dem ich mitschrieb, hat er durchgearbeitet („Also bei Spotify angehört, Lesen macht mich müde“), als vor einem Jahr Bayern an Harry Kane dran war, hat er am Stand auf dem Handy Sky laufen lassen. Er fragt mich: „Kann man glauben, was der Plettenberg erzählt?“

Mein Besuch am Samstag kurz vor Standschluss, als der Gemüsemann schon abbaute, hat ihn überrascht, weil ich mich vor zwei Wochen schon zur EM abgemeldet hatte. Aber er freute sich – nicht nur weil er weniger Sauerkirschen, Stachelbeeren und Zuckeraprikosen wieder einladen musste. Er triumphierte richtiggehend, deutete erst auf mich, dann auf die letzte verbliebene Kundin: „Das ist ein berühmter Sportjournalist – und das ist die Schwiegermutter von Emre Can.“ Ich war – nun ja – perplex und auch zu höflich, um nachzufragen, ob das jetzt ein Witz ist. Ich lobe Emre Can („Effektivster Offensivspieler der EURO“) und versprach, nur Gutes über ihn zu schreiben.

Zuhause googelte ich „Emre Can Frau“. Er soll eine haben, aber nichts Genaues weiß man nicht. Muss nächsten Samstag den Gemüsehändler fragen.

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