Nachhaltigkeit steht bei dieser EM ganz oben. Selbst die Nationalteams erledigen 75 Prozent ihrer Reisewege mit Bus und Bahn. Vorbildlich beispielsweise der Schweizer Fußball-Verband, der bei fünf von sechs Touren in der Gruppenphase der Deutschen Bahn vertraut. Viele Fans sind gefolgt. Nur: So manch einer erlebte am Samstag nach dem Gruppenspiel gegen Ungarn bei der Rückreise aus Köln mal wieder die ganzen Tücken des maroden deutschen Verkehrswesens.
Fernzüge in Richtung Süden fuhren eher nach dem Zufallsprinzip. Und natürlich nicht pünktlich. Mittlerweile ist es eigentlich egal, ob sich Unbefugte auf der Strecke befinden, Signale gestört sind, Verspätung aus vorheriger Fahrt eintritt oder schlicht das Personal fehlt (oder nicht eintrifft). In dem eigentlich um 20.18 Uhr zur Abfahrt ausgeschriebenen und anfänglich mit nur vier Minuten Verspätung ausgewiesenen ICE 19 ist es deswegen nach einem plötzlichen Halt in Köln Messe-Deutz wegen Streckensperrung zu Wortgefechten gekommen.
Heraus platzte der ganze Unmut über dysfunktionale Verkehrskonzepte und eine desaströse Kommunikation. Lachanfällen wechselten mit Schreiattacken. Weil sich ein Bahnbediensteter standhaft weigert, ein allseits gültiges Schuldeingeständnis abzugeben, waren zeitweise sogar körperliche Übergriffe in Wagen 21 denkbar. Gut, dass besonnene Frauen sich von ihren Plätzen erhoben. Eine sprach im Schweizerdeutsch mit ruhiger Stimme davon, dass 150 Euro Fahrpreis doch nicht stimme, wenn sich die Fahrzeit so deutlich erhöhe, dass sie den Anschlusszug in die Heimat verpasse.
Die andere redete deutlich aufgebrachter in Englisch davon, dass Deutschland als EM-Gastgeber doch aufgefordert habe, die Bahn zu benutzen. „Warum sagen sie das, wenn es nicht funktioniert?!“ Der Mann mit dem DB-Logo schwieg.