TV-KRITIK

Frontalangriff der weißen Turnschuhe

von Redaktion

Die EM beim ZDF

Ohne weiße Treter geht nichts mehr im TV. © jh/ZDF

Wir persönlich schauen die EM ja nicht wegen Fußball. Wir schauen wegen der zauberhaft skurrilen Menschen, die Tag für Tag über die TV-Geräte huschen. Zum Beispiel Hobby-Dänin Clødia Neumånn vom Zwede Danske Fjernsyn (ZDF), die Fußballspiele in intellektuell hochwertige Sprachkurse verwandelt. Für sie lohnt sich die Fernsehgebühr, da nimmt man „Gern Eine Zahlung“ vor (GEZ). Liebling des Tages ist aber Magenta-Analytiker Michael Ballack, der von uns Medien jetzt verlangt hat, richtig „positiv“ und mit Hurra übers Turnier zu berichten. Erst haben wir uns gedacht: Sachsen gibt’s, die gibt’s gar nicht. Aber natürlich fügen wir uns im Dienste des Landes gerne. Deshalb heute nur tolles TV-Zeug.

Toll: Wichtigste Qualifikation fürs Fußball-Erklären in der Berliner ZDF-Jubelarena ist das Tragen blütenweißer Turnschuhe. Mit den Farblos-Latschen hat Jochen Breyer das Ballaver souverän unter Kontrolle. Auch alle Sachverständigen und Sachverständiginnen wie Trainerinnen-Neuzugang Friederike „Fritzy“ Kromp tragen die Treter, die signalisieren: „Ich bin schlau, deshalb schaffe ich es, weiße Schuhe sauber zu halten.“ Ob wir die dezent analysierende Fritzy mögen, haben wir noch nicht entschieden. Vorerst bevorzugen wir doch eher Fritzy von Thurn und Taxis in seinen rahmengenähten braunen Budapestern. Aber es macht Spaß, wenn Christoph Kramer durchsickern lässt, dass Holland-Wüterich Wout Weghorst „mehr vom Trash-Talk kommt“ und seine Aufmerksamkeit gern den Müttern der Gegenspieler widmet. Kramer regte sich engagiert über „Mutlos-Fußball“ auf. Damit kennt er sich perfekt aus, den spielen seine Gladbacher seit Jahren.

Toll (wenn man taub ist): Clødia Neumånn hat ausführlich darüber referiert, dass man das „d“ im Dänischen irgendwie nicht ausspricht. Trotzdem heißt es nicht Änemark. Jonas Wind hat sie in „Win“ umgetauft, und Jannik Vestergaard in „Vestergøøøååå“ oder so. Darüber hat schon Howard Carpendale gesungen: „Du fängst den Win niemals ein.“ Das stimmt auf Dänisch søgår, war aber trotzdem nervige Wichtigtuerei. Engländern ist sowas wurscht, die sagen „Tschelsenkörkn“ zu Gelsenkirchen. Aber wir Deutschen müssen auch als Sprachpolizei alles politisch korrekt machen. Die Regeln im Slowenischen mit der stimmlosen Auslautverhärtung von stimmhaften Konsonanten waren der Claudia dagegen schnuppe, da muss sie nachbessern. Saulustig war, dass dem knapp drei Meter hohen ZDF-Lulatsch Per Mertesacker die Dänisch-Nachhilfe ganz egal war. „Er hat Wind gesagt“, jubelte die Frau Heinrich neben uns auf der Couch. Kurz danach döste sie anästhesiert ein. Ja, Neumann-Kommentare machen müde. Claudia hat nen Schläfer-Mund.

Toll (wenn man Michael Ballack ist): Wolff Fuss und Lothar Matthäus haben beim RTLMagenta-Spiel Holland – Polen gegen die eherne Regel vom Vize-Michel verstoßen, grundsätzlich nur noch positiv zu berichten. Die beiden hatten gelästert, dass die Holländer genau wie die Deutschen „keinen Mittelstürmer von internationalem Format“ haben. Hui, da war aber was los im DFB-Camp! Nagelsmann-Vize Sandro Wagner hat persönlich an Fuss gewhatsappt, der sich postwendend live für den Vergleich entschuldigte: „Das ist natürlich auch Quatsch. Liebe Grüße nach Herzogenaurach.“ Da ist der Wagner dem frechen Fuss mal so richtig auf die Füße gestiegen. Hoffentlich trägt der Mann keine weißen Schuhe.

Artikel 1 von 11