Auf einer Wellenlänge: Joshua Kimmich (mitte) und Toni Kroos (r.) genießen das Zusammenspiel in der DFB-Elf. © IMAGO
München – So einfach, so genial, so real. Schon Weltmeister-Bundestrainer Joachim Löw guckte sich von den Clubs, in denen die DFB-Stars spielen, funktionierende Spielzüge ab. Zum Beispiel von Pep Guardiola, während dessen Zeit beim FC Bayern. Unter Julian Nagelsmann ist aktuell eine ähnliche Vorgehensweise zu beobachten. Er orientiert sich offenbar an den Königlichen.
Jüngstes Beispiel: Im EM-Auftaktmatch am vergangenen Freitag in München gegen Schottland spielte Mittelfeld-Regisseur Toni Kroos viele Diagonalbälle auf Rechtsverteidiger Kimmich. Ein Zusammenspiel, das an seine extrem erfolgreiche Zeit bei Champions-League-Sieger Real Madrid mit Dani Carvajal erinnert. Ein Taktik-Kniff, der den Torreigen beim 5:1 gegen die Schotten einleitete und vermutlich noch weitere DFB-Gegner vor größere Probleme stellen dürfte.
Die Nagelsmann-Variante ist sogar eine Weiterentwicklung zu der der Königlichen. Mit Kimmich kommt nämlich jemand an den Ball, der spielerisch alles abdecken kann, weil er im Gegensatz zu Carvajal selbst eigentlich ein Mittelfeld-Akteur ist.
Kimmich agierte in seiner Rolle rechts in der Viererkette, in der er Schottlands Kapitän Andy Robertson den Schneid abkaufte, zudem als verkappter zweiter Spielmacher. Weil Robert Andrich, der am vergangenen Freitag zur Pause ausgewechselt wurde, neben Kroos im Mittelfeld eher Stärken im kämpferischen Bereich hat.
Kroos und Kimmich sind auf einer Wellenlänge. Beide verstehen sich gut. „Ich bin wirklich froh, ihn wieder in der Nationalmannschaft dabei zu haben“, sagte der Bayern-Star vor wenigen Wochen in der spanischen Sportzeitung „AS“ über das DFB-Comeback von Kroos. „Es ist immer toll, mit ihm in einer Mannschaft zu spielen.“
Auch beim Spielaufbau erinnerte die Nagelsmann-Elf an Real. Die Innenverteidiger hielten sich weitgehend raus, Jonathan Tah und Antonio Rüdiger überließen den Ball meist Kroos – der stets Lösungen parat hatte.
„Bei Toni weiß man, dass man ihn immer anspielen kann. Er ist ein Spieler, der sehr viele Pässe im Spiel hat – und den Ball auch immer haben möchte“, lobte Torwart Manuel Neuer auf der Pressekonferenz am Montag. Gleichzeitg wies er auch auf das schöne Zuspiel von Kroos‘ Real-Kollegen hin: „Bei Toni Rüdiger war es auch nicht anders – mit dem Ball auf Flo Wirtz, wo unsere erste Chance entstanden ist. Wichtig ist, dass wir uns nicht verstecken, uns zeigen, eine gute Positionierung haben und immer den Ball haben wollen.“
Gegen Schottland klappte das perfekt. „Wir haben nach dem Sieg etwas heruntergefahren und hatten auch frei. Individuell konnte man etwas im Kraftraum machen“, erzählte Neuer. „Nach einem Sieg ist es schön, die Gegner zu beobachten. Ungarn hat ja gegen die Schweiz gespielt. Das schaut man sich an und man versucht, daraus Schlüsse zu ziehen.“
Die Ungarn haben mit 1:3 verloren. Um noch eine realistische Chance aufs Weiterkommen zu haben, dürfen sie sich gegen Deutschland am Mittwoch (18 Uhr) in Stuttgart nicht nur defensiv einigeln, sondern müssen auch mutig sein. Das würde Kroos, Kimmich & Co. Räume bieten. Der königliche Taktik-Kniff könnte damit wieder zum Erfolg führen. PHILIPP KESSLER
MANUEL BONKE