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Multikulti in der Poco Café-Bar

von Redaktion

Auf eine Pizza kurz vor Mitternacht

Der Tag war verdammt lang, und der Hunger kam spät. Da im Hotel am Friedensplatz die Rezeption ohnehin um 15 Uhr geschlossen hatte, war hier keine Hilfe zu erwarten. Auch nicht im Döner-Laden um die Ecke, wo der Inhaber um kurz vor 22 Uhr die Theke säuberte. Sein Fingerzeig: einfach mal die Neckarstraße entlang laufen. Zwar waren die Türen der ersten Restaurants schon geschlossen, aber der Eingang zur Poco Café-Bar stand noch offen. Auf dem Fernseher lief England gegen Serbien. Zwei Männer auf Holzstühlen schauten auf, blickten freundlich und riefen: „Komm rein, Junge!“ Auch der junge Mann am Tresen mit seinen dunklen Locken schien heilfroh über einen Überraschungsgast am Sonntagabend.

Nur verkaufte er keine Speisen, sondern bloß Getränke. Ein Wasser und ein Bier bitte. Jetzt drehte sich auch derjenige um, der die ganze Zeit vor zwei Spielautomaten hin- und hersprang. Die erste Reihe ließ sich keine Sekunde ablenken, was verständlich wirkte, als die beiden von ihren serbischen Wurzeln erzählten. Dafür verhielten sie sich aber im Spielverlauf verdammt ruhig. Der Barkeeper war derweil damit beschäftigt, die Pizza-Dienste abzuklopfen, die noch liefern würden.

Mindestbestellwert: 15 Euro. Lieferzeit: eine Halbzeit. Besser als nichts. Abgemacht. In Spielminute 60 fiel dem Automaten-Mann ein, dass auch ihm eine Pizza noch gut tun würde. Wie von Geisterhand ging eine Tür vom Nebenzimmer auf, wo eine Frau mittleren Alters mit leicht zerknautschtem Gesicht eintrat, die ihm einige 50-Euro-Scheine zusteckte. Ehe sich einer wunderte, betraten zwei Dänen die Bude. Vater und Sohn auf dem ausgedehnten Rückweg vom Dänemark-Spiel. Letzter Boxenstopp. Ihr einziges Ansinnen: zwei Bier. Ob man auch mit Karte zahlen können? Leider nicht, aber die Restbestände ihres Bargelds reichten aus. Glückliche Gesichter.

Bald diskutierte die multikulturelle Runde über die EM, den Fußball und das Leben. Bis der Pizzabote, erkennbar noch einer mit ausländischen Wurzeln, eine riesige Pappschachtel auf den Tresen stellte. Wer sollte das alleine schaffen? Was Besseres hätte nicht passieren können. Eine Pizza für alle. Das serbische Gespann strahlte genauso wie das dänische Duo. Die schlichten Momente sind oft die schönsten. „We love Germany“, sagte der Papa und sein Sohn nickte, nachdem der Barkeeper den Fernseher ausknipste.

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