Schuldlos: Manuel Neuer beim Gegentor der Schotten im Eröffnungspiel vergangenen Freitag in München. © Charisius/dpa (2)
Glückliche Senioren: Neuer mit den Weltmeisterfreunden von 2014, Toni Kroos und Thomas Müller. © dpa/Federico Gambarini
„Ungarn wird eine andere Nummer“: Neuer bereitet sich in der Ruhe von Herzogenaurach auf sein Torwartspiel vor.
Herzogenaurach – Aller Augen hatten sich auf Manuel Neuer gerichtet am Freitagabend, weil er ja im Fokus einer nationalen Fachdiskussion gestanden war. Ist er mit 38 Jahren und nach schweren Verletzungen noch mit dem Recht des Besseren die deutsche Nummer eins? Die Gedanken der Fans gingen schon die Szenarien durch: Was könnte geschehen, wenn er sich Fehler leistet wie in den EM-Testspielen gegen Griechenland und die Ukraine, wie mit den Bayern in der Champions League bei Real oder zum Bundesliga-Ausklang gegen Hoffenheim? Doch dann spielte sich das Geschehen in der Münchner Arena durchgehend weit entfernt vom Torwart Neuer ab, man sah ihn gelegentlich an der Mittellinie sich mit Trainer Julian Nagelsmann besprechen. Die Geschichten des Europameisterschafts-Auftakts schrieben andere. Schottland schoss nicht aufs deutsche Tor, der Gegentreffer war ein Eigentor von Antonio Rüdiger ohne Eingriffsmöglichkeit für Neuer. Ob der fünfmalige Welttorhüter noch gut genug ist, war nicht das Thema des Spiels.
„Ungarn wird eine andere Nummer“, sagt Neuer. Das Spiel des kommenden Gruppengegners (Mittwoch, 18 Uhr, Stuttgart) hat er am Sonntag via TV gesehen, und obwohl die Ungarn der Schweiz 1:3 unterlagen, war seine Wahrnehmung, „dass sie eine starke Druckphase hatten, sich durchkombinierten und dem zweiten Tor näher waren. Ein großes Warnsignal für uns“. Es wird also wohl mehr ein Torhüterspiel werden als das gegen die Schotten. Nebenbei ist es seine 16. Partie bei einer EM, womit Neuer mit dem Italiener Gigi Buffon gleichzieht, aber die Skepsis, die sich ihm gegenüber aufgebaut hat, wird wieder spürbar sein und darauf warten, widerlegt oder bestätigt zu werden.
Am Montag ist Manuel Neuer bei der DFB-Pressekonferenz in Herzogenaurach aufgetreten. Als Führungsspieler drückt man sich nicht vor solchen Terminen, und idealerweise gestaltet man sie zum eigenen Nutzen. In Neuers Fall, um zu demonstrieren: Alles gut, bin komplett bei mir, Kritik irritiert mich nicht.
Er sagt, was viele Profis in solchen Situationen der Umstrittenheit gesagt haben: „Wie es von außen betrachtet wird, dazu habe ich mir nichts durchgelesen..“ Ob er sich Daten ansehe oder Statistiken, die die Leistung eines Torwarts objektiv bewertbarer machen? „Für mich sind Bilder spannend – und nicht die Statistiken.“ In der Bundesliga-Rückrunde soll er deutlich mehr Gegentore kassiert haben, als es zu erwarten gewesen wäre – „Jede Situation muss man einzeln bewerten.“ Er tue das mit dem Trainerteam, er spüre das Vertrauen, auch seitens der Mitspieler. Dass er seit Herbst 2023 nicht mehr Kapitän der Nationalmannschaft ist – „Ich stand halt nicht zur Verfügung und habe es verstanden und akzeptiert. Geändert hat sich für mich nichts, wichtig ist, dass die Kommunikationsebene bestehen bleibt.“ Erleichtert es ihm die Arbeit, dass Konkurrent ter Stegen ruhig hält? „Wir haben Klassespieler auf vielen Positionen. Eine Diskussion anzufangen, würde nicht helfen.“
Dass sein eigenes Spiel nun anders wirkt als zur Glanzzeit 2014, macht er an Veränderung in der Taktik fest. „Damals spielten wir mit einer hohen Kette, ich war der ,Sweeper Keeper‘. Nichts gegen die alten Weltmeister – aber wir haben jetzt mehr Geschwindigkeit, und ich versuche, mein Spiel der Mannschaft anzupassen.“
Über dieses, sein achtes Turnier hinaus? Gedanken dazu, sagt Manuel Neuer, werde er sich erst danach machen. GÜNTER KLEIN