TAGEBUCH

Auch im „Gottlieb“ geht Fußball nicht ganz weg

von Redaktion

Früher verband ich Aufenthalte in Stuttgart mit Besuchen der (leider nicht mehr existierenden) Bäckerei Klinsmann. Heute gehe ich statt zu Familie Klinsi zu Schumi. Also zu dem Mann, den ich Schumi nenne, weil sich das bei seinem Namen anbietet: Marko Schumacher. Der war bis vor gut zwei Jahren ein Kollege, Sportredakteur bei der Stuttgarter Zeitung, Tiefeninsider beim VfB. Wir haben etliche Turniere zusammen erlebt, sind – unvergessen – bei der WM 2014 in Brasilien mal für drei Tage in den Regenfluten verloren gegangen. 2022 sattelte er um: Zeitung und Journalismus ade – er eröffnete als nicht mehr ganz junger Quereinsteiger ein Restaurant.

Unser Schumi war schon immer ein Mann der versteckten Talente. Saß er am Laptop, umwölkte ihn Zigarettenrauch, als gelte es, ein Reporterklischee zu erfüllen – doch dann beschloss er, einen Marathon zu laufen, und erledigte das mal eben in einer Fabelzeit von deutlich unter drei Stunden, die sich andere ein Leben lang nicht ertrainieren. Tja, und in Zeiten, in denen die Gastronomie wegstirbt, hat er sein „Gottlieb“ hingestellt. Das ist in Stuttgart schon mal kein falscher Name.

Anfangs gönnten er und seine Frau sich zwei Ruhetage die Woche und sperrte mittags auf, jetzt ist schon zum Frühstück Betrieb und der Laden gut gefüllt (was der Autor dieser Kolumne mit dem inzwischen zweiten Testbesuch verifizierte). Die Investitionen (über den Einbau hoher Fenster sinnierte er: „Zum Preis eines Kleinwagens“) haben sich gelohnt. Die lokale Presse (inklusive der früheren Konkurrenz) schreibt lobend über das „Gottlieb“, selbst Fernsehaufnahmen fanden schon statt.

Der Fußball ist nicht aus Marko Schumachers Leben verschwunden. Neulich hielt er einen Talk ab, Cacau war sein Stargast. Zum Stadion sind es nur zwei Kilometer, und gerade steht ein großer Bildschirm im Lokal. Am Dienstag wird draußen auch Belgien – Slowakei nachbesprochen zwischen Marko und zwei Gästen: Die (Un-)gerechtigkeit der Abseitsentscheidungen, Grundsätzliches zum VAR. Marko verweist aber auch auf die Kompaktheit der Slowaken. Der Kennerblick, er bleibt.

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