Die zwei deutschen Torschützen jubeln: Jamal Musiala und Kapitän Ilkay Gündogan. © Weller/dpa
Mit vollem Einsatz: Jamal Musiala wuchtete den Ball zum 1:0 in die Maschen. © Gambarini/dpa
Stuttgart – Deutschland ist der EM-Gastgeber, und die eigene Party verlässt man nicht frühzeitig. Nach einer Serie von Turnierenttäuschungen wird die Europameisterschaft 2024 für die deutsche Nationalmannschaft nicht mit der Vorrunde enden. Durch den 2:0 (1:0)-Sieg über Ungarn hat sie sich – auch dank der Gnade des Spielplans und der Konstellationen in den anderen Gruppen – als erster Teilnehmer für das Achtelfinale qualifiziert. Am Sonntag (21 Uhr) gegen die Schweiz wird es um Platz eins in der Gruppe gehen. „Es freut uns, dass wir in Stuttgart dominant aufgetreten sind und verdient gewonnen haben. Den Schwung müssen wir jetzt mitnehmen“, sagte Manuel Neuer nach Abpfiff.
„Die Fans dürfen von allem träumen. Unser Job ist, sie weiter träumen zu lassen“, sagte Bundestrainer Julian Nagelsmann und sprach von einem „Reifeprozess“. Dass die zweite Vorstellung seiner Mannschaft nicht fad werden, sondern sich von der Actionhaltigkeit in Richtung des bisherigen Top-Spektakels Türkei – Georgien entwickeln würde, deutete sich schon in den ersten Minuten an. Eigentlich sogar binnen Sekunden. Nach drei verlor Ilkay Gündogan den Ball an die Ungarn, nach 15 musste Neuer eingreifen, nachdem auch Antonio Rüdiger und Joshua Kimmich etwas indisponiert waren. Doch zehn Minuten später hatte das deutsche Team auch etliche positive Aktionen angesammelt. „Wir haben die ein oder andere Schwierigkeit gut überstanden. Solche Momente zu überstehen, bringt der Mannschaft enorm viel“, sagte Toni Kroos.
Ungarn war eine mit viel mehr Klasse ausgestattete Mannschaft als Schottland. Die Magyaren hatten nach ihrem 1:3-Patzer gegen die Schweiz auch den Druck, punkten zu müssen. Sie suchten das schnelle Umschaltspiel, meist über ihre linke Seite, Sallai und Szoboszlai witterten auf Abschlüsse, die deutschen Verteidiger um Rüdiger und Jonathan Tah mussten Blockarbeit verrichten. Szoboszlai vom FC Liverpool trat auch einen hochwertigen Freistoß, doch den hechtete Neuer hoch aus dem Dreieck und vereitelte mit dem Fuß auch die potenzielle Abstaubermöglichkeit. Das war in der 26. Minute, und es stand 1:0 für Deutschland.
Das Tor musste durch den VAR-Check. Es war ein selten kurioses Ding, über die Legitimität konnte man streiten. Eigentlich war di Situation aus deutscher Sicht schon vorbei, weil Gündogan aus der Vorarbeit von Wirtz und Musiala nichts hatte machen können, doch der DFB-Kapitän erfasste schnell, dass eine neue Gelegenheit entstand. Er hatte gegen Ungarns Abwehrchef Willi Orban mit robustem Körpereinsatz gespielt, Orban, in der U21 noch deutscher Nationalspieler, verlor den Halt, störte seinen Torwart Peter Gulacsi, der nun ebenfalls am Boden lag. Gündogan sah, dass der Ball frei war, holte ihn sich, passte zu Jamal Musiala, und der haute ihn rein (22.). Ungarn reklamierte Gündogans Schubser – doch Schiedsrichter Makkelie erkannte das Tor an. Orban breitete verzweifelt die Arme aus. Die Referees hatten die Ungarn auch in der Nachspielzeit der ersten Hälfte nicht auf ihrer Seite. Zwar brachte Roland Sallai den Ball über die deutsche Torlinie, doch Manuel Neuer hatte da den Abseitsreklamierarm schon oben. Zurecht, kein Tor.
Die Deutschen suchten nach dem Wechsel den zweiten Treffer, Gündogan und Kroos waren in der 55. Minute nahe dran, ihn zu liefern. Zugleich musste die Achtsamkeit in der Defensive erhöht werden, weil die Elf des italienischen Coaches Marco Rossi nach wie vor ihre Momente hatte. Der Kapitän sorgte dann dafür, dass seine Mitspieler sich noch wohler fühlen konnten. Er erzielte in der 67. Minute das 2:0. Sein Flachschuss direkt mit links wirkte leicht und war doch ein Kunstwerk, an dem Maxi Mittelstädt mit präziser Vorlage seinen Anteil hatte. Das Publikum bejubelte seinen VfBler und mit Chris Führich einen weiteren Lokalmatador, der eingewechselt wurde. An Deniz Undav als weiteren Schwaben dachte der Bundestrainer auch noch. Eine gelungene Party. Oder wie Kroos sagte: „Die Nationalmannschaft ist immer noch in der Lage, das Land anzuzünden.“ GÜNTER KLEIN