Entspannter als Löw

von Redaktion

Nagelsmann stört sich an Transferspekulationen nicht: „Schöne Entscheidungen“

Im Fokus der Bayern: Jonathan Tah. © IMAGO

Von Leverkusen umgarnt: Waldemar Anton. © IMAGO

Kritischer Blick? Von wegen: Nagelsmann. © IMAGO

Heiß begehrt: Florian Wirtz, der Fragen nach seiner Zukunft gekonnt abtut. Dabei interessiert es brennend, wie sein Karriereweg weitergeht. © IMAGO/osnapix / Hirnschal

Herzogenaurach/Stuttgart – Joachim Löw schob da mal einen Riegel vor, zumindest offiziell: Während der Turniere war das Quartier seiner Nationalmannschaft eine für die Spielerberater verbotene Zone. Und der Langzeit-Bundestrainer (2006 bis 21) bat die Spieler auch darum, Transferangelegenheiten am besten vor Einrücken zum Team oder wenigstens noch im Trainingslager zu erledigen. Kontrollieren konnte er den Markt mit seinen Ge- und Verboten aber nicht – und zu seiner Zeit war die Geräuschkulisse bei der Vereinspolitik gedämpfter. Löw hat(te) zwar selbst einen Berater, Harun Arslan – aber dessen Spielerportfolio war überschaubar.

Julian Nagelsmann ist einer der ersten Trainer, die sich von einer der großen Spieleragenturen vertreten lassen, der Sports 360 GmbH von Volker Struth, 137 Spieler sind dort als Klienten gelistet – plus der Bundestrainer. Nach dem 5:1 gegen Schottland gab es für ihn sowie die beiden weiteren Struth-Klienten im DFB-Team, Toni Kroos und Maxi Mittelstädt, eine kurze Umarmung durch einen Mitarbeiter der Agentur. Nagelsmann ist also Teil des Gewerbes – und wohl auch deshalb nimmt er es gelassener hin als seine Vorgänger, dass das Thema Transfers in die Nationalmannschaft hineinwuchert.

„Die Unruhe deswegen“, sagt er, „hast du als Vereinstrainer.“ Als Bundestrainer sehe er sich da außen vor. Denn auch wenn Spieler nun die Frage nach ihrer Zukunft beschäftige – alle befänden sich in einer angenehmen Situation. „Entweder sie bleiben bei den Clubs, bei denen sie erfolgreich waren. Oder sie gehen zu guten anderen Clubs.“ Alles andere als ein Drama: „Die Jungs können gute Lebensentscheidungen treffen, am Ende sind es schöne Entscheidungen.“ Keine, die belasten. Und er glaubt: „Die meisten haben sich vor der EM Gedanken gemacht.“

Die Spekulationen betreffen derzeit die Shooting Stars aus Stuttgart: Chris Führich (FC Bayern?), Waldemar Anton (Leverkusen?). Deniz Undav soll dauerhaft von Brighton & Hove abgelöst werden, der Stürmer hatte kurz vor Ende der Bundesligasaison gesagt, dass die Engländer sich praktisch nie erkundigten und er davon ausgehe, final wechseln zu können. Nun wird um eine Rückkaufoption für ihn gerungen. Bei Brighton & Hove Albion spielt Pascal Groß, der als Nationalmannschaftsentdeckung auch zuhause wieder interessant wurde. Von Frankfurt und Dortmund ist Interesse hinterlegt. „Ich mache kein Geheimnis daraus, dass ich gerne wieder in der Bundesliga spielen würde“, sagt der 33-Jährige. Während des Turniers wolle er sich damit jedoch nicht beschäftigen.

Spektakulärster Wechsel wäre der von Jonathan Tah von Bayer Leverkusen zu den Bayern. Beim Media Day wenige Tage vor EM-Beginn sagte er unserer Zeitung: „Ich würde lügen, wenn ich sage, dass Transfergerüchte kein Thema in der Mannschaft sind. Das Thema ist präsent, aber nicht so, dass es überhandnimmt.“ Beim Transfer gibt es zwei Haken: Einerseits will Bayer für den Verteidiger, dessen Vertrag 2025 ausläuft, mehr Ablöse (40 Millionen Euro), als der Rekordmeister ausgeben möchte. Andererseits müsste der FC Bayern erst einen gestandenen Abwehr-Star abgeben, um Platz für Tah zu schaffen.

So konkret sind die Gedankengänge bei Florian Wirtz, dem Leverkusener Supertalent, noch nicht. Angesichts seiner Klasse, seiner Perspektive und der Freundschaft zu Jamal Musiala wird allerdings auch rund um ihn herum wild und unaufhörlich spekuliert, wie sein Karriereweg weiterverlaufen wird und womöglich über München. Als er kürzlich auf dem Podium der DFB-Pressekonferenz saß, erkannte er die ausgelegten Fallstricke in freundlich formulierten Erkundigungen. Seine Antwort lautete: „Gemeine Frage.“ GÜNTER KLEIN

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