Vierbeiniger Überlebender: Die Surfer retteten auch Hunderte Haustiere. © Instagram
Hand anlegen in der Not: William Santana (r.) in den Flutgebieten in Südbrasilien. © Instagram
Ein Leben der Extreme: Lucas Chumbo auf einer der Riesenwellen, die sich aufgrund der besonderen Bedingungen vor Nazaré auftürmen. © Imago
Eldoradoo – Die Begegnung mit der Katastrophe begann für Pedro Scooby vor dem Fernseher. Brasiliens wohl bekanntester Surferstar sah Bilder aus den Flutgebieten im Süden des Landes. Es waren Bilder von einem Helikopter beim Versuch eine Familie von einem Dach zu retten. Doch vor laufender Kamera brach das Haus unter den Menschen in sich zusammen. Es war eine jener Tragödien, die zuletzt das Bild bestimmten im Bundesstaat Rio Grande de Sol.
Und es waren Erlebnisse wie dieses, die einen ungewöhnlichen Hilfstrupp mit mehr als zwanzig Extremsurfern zusammen brachten. Darunter Weltklasse-Athleten wie Scooby, William Santana oder Lucas Chumbo, der sich in den letzten Monaten mit dem Deutschen Sebastian Steudtner ein Wettrennen darum liefert, wer die weltweit höchste Welle reitet. Offiziell ist Steudtner mit 28,57 Metern derzeit die Nummer eins.
Man muss dazu sagen, dass die Gruppe, die sich mit Vorliebe im portugiesischen Nazaré tummelt (dessen Ausnahmestellung unter anderem im neuen Buch „Nazaré. Leben und Tod der Big Wave Surfer“/Edel Verlag) eindrücklich beschrieben ist, ganzjährig einen fast familiären Zusammenhalt pflegt.
So gesehen hat man sich auch nicht lange überreden müssen,. Per Telefon trommelte man sich zusammen. Vor Ort übernahm Fabiano Tissot, der aus den Flutgebieten stammt, die Organisation. Schon einen Tag nach der Idee war man mit Jetskis, Rettungs-Boards, Neoprenanzügen und Schwimmwesten vor Ort. „Eine höher gelegene Farm war unser Basislager“, berichtet Santana.
Es lag nahe, dass die Sportler die besonders kniffligen Missionen übernahmen. Athleten wie Chumbo oder Santana bewegen sich Zeit ihres Surferlebens in Extremsituationen. Reiten auf bis zu 30 Meter hohen Wellen, die sich in Nazaré auftürmen. Wobei sie nun in den Fluten die Erfahrung machten, dass es ein feiner Unterschied ist, ob man zur Rettung eines Kollegen in 30 Meter Wassermassen steuert oder durch „Hausruinen, Stromleitungen, Über die Dächer überfluteter Autos und die Körper toter Tiere“, manövriert, wie Santana sagt, „dass du nicht weißt, wo du dich bewegst, machte es sehr gefährlich.“
Weshalb die Sportler, die die Mission übrigens komplett aus eigener Tasche finanzierten, bei der Arbeit auch ein strenges Prinzip verfolgten. „Niemand war alleine unterwegs“, betonte Lucas Chumbo, „wenn jemand nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurück war, wurde er von zwei Jetskis gesucht.“
Wie viele Menschen und Tiere man gerettet hat, darüber haben sich Chumbo & Co nie wirklich Gedanken gemacht. Man kann es erahnen, wenn man sich die Dankesnachrichten auf den Instagram-Seiten der Sportler anschaut. So wie die eines emotionalen Mannes, dessen Großfamilie die Surfer aus einem nahezu überfluteten Haus retteten – nicht weniger als neun Hunde inklusive.
Als die Aktion in Brasilien die Runde machte, meldeten sich Sponsoren zu Wort und unzählige Menschen, die spenden anboten. „Wir haben einen kleinen Teil für die Instandhaltung unserer Jetskis während der Aktion benutzt“, sagte Santana, „der Rest wurde in Hilfsgüter investiert. „Für elf Lastwagen-Ladungen hat es schon gereicht.“ Denn: „Es geht nicht um Geld, es geht darum, zu helfen.“ PATRICK REICHELT