Kleiner Mann auf großer Bühne

von Redaktion

Shaqiris Turnier-Serie ist legendär – die Deutschen sollten gewarnt sein

Zehn Treffer in sechs Turnieren: Mindestens ein Shaqiri-(Traum-)Tor gehört seit 2014 bei der EURO oder WM dazu. © IMAGO

Köln – Mit wichtigen Toren kennt Xherdan Shaqiri sich aus, und zwar schon immer. Denn der Stern des heute 32 Jahre alten Schweizers ging einst auf, als er im „Youth Cup“ in Zürich im Jahr 2009 das Tor zum Titel schoss. Der FC Basel jubelte, Shaqiris Reise begann. Sie führte über den FC Bayern nach Italien, England, Frankreich und schließlich in die USA – oder anders gesagt: Sie ließ ihn zu jenem Kicker reifen, der seit Mittwoch als erster Europäer bei den vergangenen sechs großen Turnieren mindestens ein Tor erzielt und damit schon vor dem Duell mit der DFB-Elf am Sonntag (21 Uhr) und dem möglichen Einzug in die K.o.-Runde seinen Legenden-Status sicher hat.

Der Ausgleich zum 1:1 gegen Schottland war – wie schon bei den letzten Europameisterschaften 2016 und 2021 – einer der Kategorie Traumtreffer. Und selbst die Teamkollegen hatten dem Schweizer Kraftpaket so eine Wucht nicht zugetraut. „Zuerst habe ich gedacht, warum schießt du? Und dann ist es halt Shaq“, sagte Torhüter Yann Sommer über den Linksschuss aus 20 Metern in den Winkel. Kapitän Granit Xhaka fügte an: „Er hat einen linken Fuß, wie ihn nicht viele haben. Shaq ist einfach Shaq.“ Ein genialer Kicker, über den der „Blick“ in seinem ersten Artikel einst schrieb: „Quadratisch, praktisch, gut.“ Aus gut wurde seitdem: Gold wert für sein Heimatland.

Zwar war das Tor noch nicht der Türöffner fürs Achtelfinale, die Ausgangslage aber ist gut für das Nachbarland. Vier Punkte sollten im schlimmsten Fall auch als Gruppendritter reichen, aber Shaqiri hat sowieso nicht vor, im Nachbarschaftsduell abzuschenken. „Wir wollen Deutschland ärgern, das ist ganz klar“, sagte er nach seinem Geniestreich, der übrigens ein wenig aus Wut entstanden war. Nicht allzu amüsiert war Shaqiri nämlich darüber gewesen, dass Trainer Murat Yakin ihn beim 3:1 gegen Ungarn zum EM-Auftakt auf der Bank hatte schmoren lassen. Gegen Schottland durfte er von Beginn an ran und gab die Antwort, die man sich hat erwarten können: „Es war ja nicht das erste Mal, dass ich ein so schönes Tor geschossen habe. Vor allem in so Events, bei Europa- und Weltmeisterschaften, genieße ich es jedes Mal.“

Ein Blick zurück bestätigt das. Shaqiris Serie startete bei der WM 2014, als er beim 3:0 gegen Honduras drei Mal traf und sein Team ins Achtelfinale brachte. Bei der EM 2016 glich er im Achtelfinale gegen Polen zum 1:1 aus, bei der WM 2018 erzielte er im Gruppenspiel gegen Serbien in der 90. Minute das 2:1. Doppelt traf er bei der EM 2021 beim 3:1 gegen die Türkei, dazu auch im Viertelfinale gegen Spanien. Bei der WM 2022 in Katar ebnete er mit dem Führungstreffer beim 3:2 gegen Serbien den Weg ins Achtelfinale.

Wie so oft lässt Shaqiri auch heuer den Glauben in der Schweizer Mannschaft leben. Yakin ist sich für das Duell um den Gruppensieg sicher: „Wir werden Chancen bekommen.“ Und wenn Xherdan Shaqiri ankündigt, „selbstbewusst“ ins Spiel zu gehen, sollte die DFB-Auswahl gewarnt sein. Der kleine Mann (1.65 Meter) liebt die große Bühne. Das weiß man schon sehr, sehr lange. HANNA RAIF

Artikel 1 von 11