TAGEBUCH

Auf dem Handy sind noch immer Reste von Katar

von Redaktion

Diese Woche am Stuttgarter Hauptbahnhof: Sommer total, Sommer brutal. Die Stadt hat ohnehin eine wärmespeichernde Tallage, und der Asphalt tat sein Übriges. So muss es sich auch in der Wüste anfühlen. Dabei hatte es nur 30 Grad. In Katar würden sie frösteln.

Ja, Katar ist auch bei der Europameisterschaft in Deutschland ein Thema – auch wenn sich die Nationalmannschaft nicht mehr den Mund zuhält. Katar hat sich aus dem großen Fußball nach der WM 2022 nicht verabschiedet. Katar ist ein Topsponsor der UEFA-Veranstaltung. „Visit Qatar“ steht auf allen Werbetafeln, im offiziellen Programmheft, sogar TV-Presenter (in einem Atemzug mit „Lidl“) ist man. Die Nachverwertung der EM läuft.

Ich war in Katar. Die gesamte WM über. Manches hat mich abgestoßen, vieles genervt, aber binnen eines Monats entwickelt man auch eine gewisse Vertrautheit mit dem, was angenehm war (Transsportsystem, Essen, das Meer, die Optik Dohas) – und hängt dieser Zeit in Gedanken noch ein Weilchen nach, obwohl oder weil man weiß, dass man wohl nicht wiederkehren wird. Immer noch habe ich zwei Katar-Apps auf dem Smartphone. Die der Fluglinie Qatar Airways (man kann via Doha auch an andere Destinationen reisen) und die mit der Hayya-Card, die man zur Einreise bräuchte – ein virtuelles Visum. In ihr habe ich ein selbst vor der Wohnzimmerwand aufgenommenes Passfoto hinterlegt, das mich dermaßen indisponiert zeigt, wie ich in den nächsten zehn Jahren garantiert nie sein werde. Es ist mein Früher-war-nicht-alles-besser-Bild.

Als Erinnerung habe ich auch Doha in meiner Wetter-App belassen. Weil es schon interessant ist, wenn man mal in einem Land war, es weiter zu beobachten. Zudem: Es sollte ursprünglich um diese Jahreszeit gespielt werden. Nachts kühlt es auf 29 Grad ab, um 9 Uhr ist die Morgenfrische passé (37 Grad), die Anstoßzeit 15 Uhr ist etwas fordernd (41 Grad). Einen Reiz hätte es schon, diese Temperaturen einmal zu erleben.

Falls es bei dieser EM außerhalb von Stuttgart noch richtig aufheizen sollte, wird das Wischen zu den Doha-Vergleichswerten helfen: Alles halb so schlimm. Am 15. Juli spätestens lösche ich Doha dann. Nix mit „Visit Qatar“.

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