Die Mannschaft im Schatten: Auch von den Reservisten wird emotionale Teilnahme erwartet. © Stefan Matzke / sampics
Herzogenaurach – Chris Führich und Deniz Undav sind sehr unterschiedliche Typen – und das zeigt sich an ihrer Einstellung zur Ernährung.
Führich lernte in seiner Zeit in Köln vom Zimmerkollegen Milivoje Novakovic die Segnungen der fleischlosen Ernährung kennen. Einige Zeit lebte er vegan, „Eier habe ich jetzt dazugenommen“. Er hat so gut wie keine Muskelverletzungen, er ist drahtig, er optimiert sich.
Undav war glücklich, als am Tag nach dem 2:0-Sieg gegen Ungarn sich im Herzogenauracher Homeground beim Besuch der Familien der Döner-Spieß drehte. „Nudeln gibt es dann ab heute wieder.“ Er tut sich schwer, Versuchungen aus der schnellen Küche zu widerstehen, das hat seine Karriere in den Anfängen ins Stocken gebracht, in den Jugendmannschaften war er der Dicke. Pre-Game-Menü seines Herzens sind im Grunde immer noch „ein Red Bull und zwei Hanuta-Waffeln“, nun reißt er sich am Riemen: „Die Schokoriegel lasse ich weg“, den Energy Drink nimmt er in der Version „sugar free“ zu sich. „Das ist halt mein Ritual.“
Ökotrophologisch werden Undav (“Leider habe ich nur einen Döner genommen“) und Führich (“Ich haben den Döner ohne Fleisch gehabt“) nicht auf eine Linie kommen, dennoch ergibt es sich gerade so, dass der eine für den anderen spricht und dabei immer das Wort „Wir“ fällt. Was sie verbindet: Die Saison mit dem VfB Stuttgart hat sie in die Nationalmannschaft und zur EM gebracht, beide bekamen sie am Mittwoch ihre Einwechslung im ihnen vertrauten Stadion am Neckar, beide wissen sie, wie ihre Rolle im Kader aussieht – und sie sind einverstanden mit ihr.
Deniz Undav wurde für seine paar Minuten von den Rängen individuell gefeiert, „man hat auf dem Platz gesehen, dass ich glücklich war“. Chris Führich sagt: „Mit den Einwechslungen ist für uns ein Traum in Erfüllung gegangen.“ Er versichert: „Wir kommen mit der Jokerrolle gut zurecht. Wenn wir überlegen, wo wir vor einem Jahr waren, freuen wir uns über jede Minute.“ Undav: „Wir wissen: Wenn du gewinnst, sieht nicht nur der Einzelne gut aus, sondern jeder.“ Auch die, die auf der Bank sitzen. „Und das sind reelle, geile Typen.“
In zwei Partien hat Bundestrainer Nagelsmann 18 seiner 26 Nominierten auf den Platz gebracht. Klar, die Torhüter ter Stegen und Baumann blieben außen vor, die Abwehr-Backups Anton, Schlotterbeck, Koch (innen), Henrichs und Raum (außen) sind noch ohne Auftritt, von den Offensiven ist es Maxi Beier.
Wer nicht gespielt hat oder weniger als 45 Minuten, den erwartet am Tag danach ein „Spielersatztraining“ – nicht dass der Döner noch anschlägt. Ansonsten gilt, wie Chris Führich es sagt: „Arbeiten, bereit sein, auf den Moment warten.“ GÜNTER KLEIN