„Es hat Klick gemacht“

von Redaktion

Alain Sutter über die Schweizer Chancen und Shaqiri

Schweiz-Legende: Alain Sutter. © Imago

Wichtige Stützen: Breel Embolo und Trainer Murat Yakin. © afp

Traumtor zum 1:1 gegen Schottland: Der Ex-Münchner Xherdan Shaqiri. © dpa

Frankfurt – Für die „Nati“ bestritt Alain Sutter 62 Länderspiele. In der Bundesliga lief der 56-Jährige für Nürnberg, München und Freiburg auf. Unsere Zeitung hat mit ihm vor dem Duell mit den Eidgenossen gesprochen.

Herr Sutter, bei den letzten Turnieren stand die Schweiz immer in der K.-o.-Runde: Muss man sich daran messen lassen?

Der Schweizer Fußball hat sich sehr zum Positiven entwickelt, das sieht man daran, dass die K.-o.-Runde fast Pflicht ist – und es schon eine Enttäuschung wäre, würde die Schweiz in der Gruppenphase hängen bleiben. Ich finde das aber gut, denn man sollte immer nach Höherem streben.

Ist sogar ein Überraschungs-Coup drin?

Die Schweizer haben von der Qualität her mit Sicherheit die Möglichkeit, ein, zwei Runden weiterzukommen. Generell sind die Unterschiede aber nicht mehr so groß. Nehmen wir mal Albanien oder Georgien als Beispiel, das ist einfach ein richtig gutes Niveau. Und Nationen wie wir können jetzt durchaus auch ambitioniert denken.

Sieben Schweizer stehen in Deutschland unter Vertrag, auch Murat Yakin hat in Deutschland gespielt. Ist die „Nati“ in Stück weit „made in Germany“?

Die deutsche Schweiz ist schon sehr Bundesliga-orientiert. Jeder kennt hier die Sportschau um 18 Uhr (lacht). Und der Schweizer Fußball profitiert auch davon, wenn unsere Spieler in der Bundesliga spielen, sich durchsetzen. Da entwickelt sich sportlich jeder weiter und gibt Selbstvertrauen – das nimmt derjenige dann mit ins Nationalteam.

Die Schweiz kam mit gemischten Gefühlen nach Deutschland, vor allem die Offensive stand in der Kritik. Ein Blick auf das Torverhältnis ist die beste Antwort, oder?

Ich war schon auch positiv überrascht darüber. Aber dass es pünktlich „Klick“ gemacht hat, zeigt einmal mehr, dass der entscheidende Faktor die Intensität ist. Man hat gesehen, dass die Spieler fähig sind, nochmal einen Tick zuzulegen, weil das Ereignis auch größer ist. Man sagt ja so schön: Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss. Und wenn das Pferd imstande ist, über ein höheres Hindernis auch höher zu springen, zeigt das die vorhandene Qualität.

Dazu passen die Worte, die Xherdan Shaqiri vor dem Duell mit Deutschland gewählt hat: „Wir wollen sie ärgern.“ Kann auch das deutsche Pferd übersprungen werden?

Das wird man dann sehen (lacht). So oder so aber ist die Ausgangslage perfekt: Man spielt im letzten Spiel gegen den stärksten Gegner um den Gruppensieg. Und ab den K.o.-Spielen kommen nur noch große Kaliber. Deshalb ist das Duell mit Deutschland ein guter Aufbau, um zu schauen, wie hoch das Pferd springen kann. Sicher ist, dass man noch eine Schippe drauflegen muss.

Was braucht es für einen Sieg – außer einen Traumschuss von Shaqiri?

Die nötige Intensität. Man darf den Deutschen keine Zeit lassen, wenn sie den Ball haben. Da geht es um Zweikampfverhalten, Laufbereitschaft. Man muss die Räume eng machen und die Zeit wegnehmen, damit die Fehlerquote steigt. Im modernen Fußball sind das die entscheidenden Faktoren. Natürlich kann es theoretisch sein, dass auch beide Mannschaften zufrieden sind mit einem Punkt, dann müssten beide mit einer anderen Einstellung ins Spiel gehen. Dass es das gibt, hat die Geschichte des Fußballs immer wieder gezeigt…

Shaqiri ist 32, hat bei jedem der sechs letzten Turniere getroffen. Ist er so etwas wie eine Schweizer Legende?

Definitiv! Was er alles erreicht hat, macht ihn zur Legende. Er ist einer der größten Schweizer Fußballer aller Zeiten. Die Bilanz bei den großen Turnieren ist einfach einmalig. Die wenigsten Spieler können überhaupt von sich behaupten, sechs Turniere zu spielen. Und er trifft bei sechs Turnieren. Er hat Legenden-Status, das wird auch lange so bleiben.

Die DFB-Elf schwärmt von der Euphorie. Sie kennen sich als Mental-Coach bestens aus: Wie viel Kopfsache ist dabei bei einem Heim-Turnier?

Das macht unglaublich viel aus. Aber wie immer im mentalen Bereich birgt so eine Begeisterung Chancen und Risiken. Bei der WM in Brasilien hat man gesehen, was passieren kann, wenn der Druck zu groß ist – da wart ihr ja auch beteiligt (lacht). Beim 1:7 ist plötzlich alles gegen den Gastgeber gekippt. Aber ich bin der Meinung, dass der Heimvorteil am Ende entscheidend sein kann für einen deutschen Titel.

Aus Ihrer Münchner Zeit ist folgendes Zitat hängengeblieben: „Wenn ich früher ein Müsli gegessen habe, war ich schon in einer Sekte.“ Uli Hoeneß riet Ihnen zum Schweinebraten…

Da sind Welten aufeinandergeprallt. Aber ich kann einen Gruß nach München senden: Ich bin einer, der den Genuss in den Vordergrund stellt. Da darf es jeden Tag etwas sein, was man gerne isst. Für manche ist das der Schweinebraten (lacht).

HANNA RAIF

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